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Wie der Kundennutzen ermittelt wird

Die Positionierung gehört fraglos zu den schwierigsten und gleichzeitig spannendsten Aufgaben im Marketing. Die Erkennung des Kundennutzens ist dabei von zentraler Bedeutung.

In meinen Beratungsgesprächen mit Klienten nimmt die Klärung des Kundennutzens meistens viel Zeit in Anspruch. Viele tun sich schwer, ihr Geschäftsfeld auf Anhieb zu verstehen. Dieses Verständnis ist aber die Grundvoraussetzung für unternehmerisches Wachstum.

„What business are you really in?“ lautet die essentielle Frage, die Theodore Levitt (1925-2006) in seinem Beitrag „Marketing Myopia“ (1) aus dem Jahr 1960 stellte. Der aus Vollmerz in Osthessen stammende Wirtschaftswissenschaftler war damals Dozent an der „Harvard Business School“.

Levitt stellte fest, dass Manager ihr Geschäftsfeld häufig falsch einschätzen, und begründete seine Erkenntnis am Beispiel der Krise der amerikanischen Eisenbahnen in den 1950-er Jahren. Obwohl das Passagier- und Frachtaufkommen wuchs, hatten andere Verkehrsmittel der Schiene den Rang abgelaufen.

Für Levitt war das ein klassischer Fall von Kurzsichtigkeit, auf Englisch „myopia“: Hätten die Verantwortlichen verstanden, dass ihr Geschäftsfeld nicht im Betrieb von Eisenbahnen sondern im Transport von Personen und Gütern lag, wäre weiteres Wachstum möglich gewesen. Er forderte daher: Weg von der Produktorientierung, hin zur Kundenorientierung. (1)

Das lösungsinvariante Anwenderproblem

Für Ihre Positionierung ist also ein profundes Verständnis des Kundenproblems die Voraussetzung. Wie kommen Sie diesem auf die Spur? Für den Schweizer Managementexperten Aloys Gälweiler (1922-1984) liegt die Antwort in der Frage nach dem „lösungsinvarianten Anwenderproblem“. Da es in der Regel am Markt mehrere Möglichkeiten für die Lösung eines Problems gibt, ist es von entscheidender Bedeutung, das Kundenproblem unabhängig von diesen Lösungen zu erkennen und zu formulieren (2).

Die präzise Formulierung des lösungsinvarianten Anwenderproblems erfordert einiges an Abstraktionsvermögen. Nehmen wir daher zur Verdeutlichung ein Beispiel für ein gängiges Produkt. Was ist das lösungsinvariante Anwenderproblem eines Bohrhammers? Oder anders gefragt: Wozu benötigen Sie einen Bohrhammer? Zum Bohren eines Lochs, werden Sie vermutlich antworten. Aber wozu bohren Sie das Loch? Na ja, um ein Bild aufzuhängen. Aha. Das lösungsinvariante Anwenderproblem ist daher nicht das Bohren. Sondern das Befestigen. (3)

Wenn wir das Kundenproblem erkannt haben, wird uns bewusst, dass es dafür auch andere Lösungen gibt. So könnten Sie im konkreten Fall für die Befestigung eines Bildes auch einen Montagekleber verwenden. Sie erhalten also ein klareres Bild über den Mitbewerb und mögliche Substitutionsrisiken – also Produkte und Dienstleistungen, die Ihr Angebot in Zukunft ersetzen könnten.

Literatur

(1) Levitt, Theodore (2013): Marketing Myopia. In: Harvard Business Review (Hrsg.): HBR’s 10 Must Reads on Strategic Marketing. Harvard Business School Publishing, Boston, S. 29-56. (Erhältlich bei amazon.de)

(2) Gälweiler, Aloys (2005): Strategische Unternehmensführung. 3. Auflage, Frankfurt am Main. (Erhältlich bei amazon.de)

(3) Sturmer, Martin (2018) Profilierung. Mit intelligentem Marketing zum gefragten Experten. Springer Gabler, Wiesbaden. (Erhältlich bei amazon.de)