Press "Enter" to skip to content

Die Nachrichtenstrategie

Gerade während der Corona-Pandemie ist sachliche und objektive Berichterstattung gefragt. Das ist eine Großchance für die Unternehmenskommunikation. Die Nachricht als Evergreen der Kommunikation punktet auf allen Kanälen.

Der Lockdown bescherte meiner Nachrichtenagentur afrika.info einen echten Höhenflug: Die Statistikseite zu Corona in Afrika erreichte täglich über 3.000 Besucher. Reichweitenstarke Medien wie der ORF, Der Standard, die Salzburger Nachrichten und etliche andere haben auf das Angebot verwiesen.

Die hohen Zugriffe sind kein Zufall, sondern schicht und ergreifend das Resultat meiner Nachrichtenstrategie. Denn gerade in der Krise steigt bei vielen Menschen der Wunsch nach zuverlässiger Information.

Nachrichten waren am Höhepunkt der Corona-Pandemie verstärkt gefragt – vor allem online und im TV. Das belegt der „Digital News Report“ des Reuters Institute und der University of Oxford eindrucksvoll.



Auch in Österreich erzielten die Nachrichtensendungen des ORF Rekordwerte, wie ZIB2-Anchorman Armin Wolf berichtet (1):

Unsere Quoten waren jedenfalls unglaublich, die Hauptnachrichten um 19.30 Uhr hatten zeitweise 2,5 Millionen Zuseher, die ‚ZIB 2‘ fast jeden Tag mehr als eine Millionen, das wären auf die Größe Deutschland umgerechnet 25 beziehungsweise über 10 Millionen.

Die Verbreitung von Nachrichten ist aber kein Monopol des Journalismus. Auch Unternehmen können – und sollen sogar – Nachrichtenlieferanten sein.

Die ideale Organisationsform für die Nachrichtenstrategie ist der Corporate Newsroom. Denn die Nachrichtenstrategie wirkt über alle Kanäle – von der Lokalzeitung bis zu Twitter. Auch die sozialen Netzwerke sind viel mehr Nachrichten- als Werbemedien (2).

Vorteile der Nachrichtenstrategie

  • Stärkere Sichtbarkeit auf allen Kanälen
  • Konstante Kommunikation an Stakeholder
  • Steigerung der Glaubwürdigkeit
  • Hohes Potenzial zur Themenführerschaft
  • Ideale Vorbereitung für Krisenzeiten

Zur Entwicklung der Nachrichtentechnik

Die Nachricht ist der Evergreen der Kommunikation. Die Frage „Was gibt es Neues?“ ist so alt wie menschliche Sprache. Verändert hat sich lediglich der Übertragungsweg.

Absender suchten stets nach der schnellsten Übertragungstechnik, um die Botschaft an die Empfänger zu senden. Die Signalfeuer der Griechen, die sprechenden Trommeln der Savanne und die Brieftauben von Paul Julius Reuters – sie alle waren Vorläufer jener Technologien, die uns heute die Informationsübermittlung in Echtzeit erlauben.

Das wahrscheinlich populärste Beispiel für die Nachrichtenübermittlung in der Antike ist die Feuerzeichen-Stafette des Agamemnon, die vom Dichter Aischylos in seiner Trilogie „Die Orestie“ beschrieben wurde. Der griechische Oberfeldherr soll damit die Nachricht vom Fall Trojas an seine Frau Klytaimestra in Argos übermittelt haben.

Die Botschaft durchlief acht Signalfeuer, die auf einer Distanz von 555 Kilometern errichtet worden waren. „Troja ist seit heute in des Griechen Hand“, jubelte Klytaimestra, nachdem sie die Siegesnachricht erhalten hatte. (3)

Dass sich die Nachrichtenübertragung tatsächlich so zugetragen hat, gilt als unwahrscheinlich. Dennoch sind Aischylos und „Die Orestie“ für die Geschichte der Nachrichtentechnik von hoher Bedeutung, wie Volker Aschoff meint (4):

Die Uraufführung der Orestie fand im Jahre 458 v. Chr.statt. Zu diesem Zeitpunkt muß in Griechenland die Techniker einer optischen Signalverbindung über Relaisstationen so bekannt gewesen sein, daß die Zuschauer das Prinzip der ‚Fackelpost des Agamemnon‘ verstehen konnten.

Definition und Wesen der Nachricht

Was genau versteht man aber nun unter einer Nachricht? Meine Nachrichtenstrategie basiert auf dem modernen Verständnis, dass es sich bei der Nachricht um keine eigene journalistische Textsorte handelt. Vielmehr ist sie der Inhalt all jener journalistischer Darstellungsformen, bei denen es um die korrekte Wiedergabe von Ereignissen geht (5).

Dietz Schwiesau definiert die Nachricht wie folgt (6):

Die Nachricht ist eine direkte, auf das Wesentliche konzentrierte und möglichst objektive Mitteilung über ein neues Ereignis, das für die Öffentlichkeit wichtig und/oder interessant ist.

Direkt, wesentlich, objektiv, neu, ereignisorientiert – das sind also die Zutaten einer Nachricht. Direkt bedeutet, dass das Wichtigste am Beginn steht. Die Beschränkung auf das Wesentliche meint, dass der Beitrag in einer verständlichen Sprache und ohne Umschweife auf den Punkt kommt. Die Forderung nach Objektivität bezieht sich auf Wahrhaftigkeit, Unparteilichkeit sowie die Trennung von Nachricht und Meinung. (6)

Das wichtigste Kriterium für eine Nachricht ist aber, dass sie neu ist. Eine Information wird nur dann zur Nachricht, wenn sie etwas vermittelt, was vorher unbekannt war. Ein Ereignis schließlich ist ein Vorgang, der in Raum und Zeit begrenzt ist. Dieses Ereignis muss für die Öffentlichkeit wichtig oder interessant zu sein. (6) Die Beurteilung der Bedeutsamkeit von Ereignissen erfolgt mithilfe der Nachrichtenfaktoren.

Die Nachrichtenfaktoren

„When a dog bites a man, that’s not news, but when a man bites a dog, that’s news.“ Dieses Zitat aus dem Jahr 1880 wird John B. Bogart, Lokalredakteur der „New York Sun“, zugeschrieben. (5)

Zur Nachricht wird also, was nicht alltäglich ist. Die sogenannten Nachrichtenfaktoren sind ein verlässliches Navigationssystem für die Einschätzung des öffentlichen Interesses.

Erstmals erwähnt wurde der Begriff „news factors“ im Fachbeitrag „The Structure of Foreign News“ von Johan Galtung und Mari Holmboe Ruge im Jahr 1965 (7). Die beiden norwegischen Friedenforscher definierten damals zwölf Nachrichtenfaktoren.

Johan Galtung und Martin Sturmer
Johan Galtung und Martin Sturmer in Grenzach-Wyhlen (August 2017)

Im August 2017 habe ich Johan Galtung in Grenzach-Wyhlen im Rahmen seiner Sommerakademie zum Thema Konfliktlösung kennengelernt. Dabei hatte ich mehrmals die Gelegenheit, mit ihm über die heutige Bedeutung der Nachrichtenfaktoren zu diskutieren.

Die wichtigsten Nachrichtenfaktoren

  • Nähe: Je weiter weg, desto schlechter. Rezipienten interessieren sich in erster Linie für Ereignisse aus ihrer Umgebung.
  • Außergewöhnlichkeit: Je einzigartiger Ihr Angebot, desto interessanter. Medienkonsumenten lieben das Besondere und nicht das Alltägliche.
  • Popularität: Je prominenter, desto unterhaltsamer. Die Meinung bekannter Personen interessiert – selbst dann, wenn sie nur wenig Substanzielles beizutragen haben.
  • Aktualität: Je mehr Bezug Sie zu einem aktuellen Thema herstellen können, desto größer das Interesse.
  • Kontroverse: Je konfliktreicher, desto spannender. Zeigen Sie Haltung, aber bleiben Sie sachlich und objektiv.
  • Fakten, Fakten, Fakten: Je mehr Fachkompetenz Sie unter Beweis stellen können, desto bedeutungsvoller. Zahlen gehören zur Berichterstattung einfach dazu. Wie sieht Ihre Branche aus? Was leistet sie für die bundesweite Wirtschaft? Wohin bewegt sie sich in Zukunft?
  • Personalisierung: Je persönlicher, desto reizvoller. Porträts über Menschen ziehen mehr als jene über Firmen.
  • Vertrauenswürdigkeit: Bleiben Sie immer bei der Wahrheit. Übertreibungen und Falschinformationen können Ihren Ruf nachhaltig beschädigen oder sogar ruinieren.

Aus diesem Blogpost sollten Sie folgende Merksätze mitnehmen:

  1. Die Nachricht ist der Evergreen der menschlichen Kommunikation.
  2. Objektive und sachliche Informationen sind vor allem in Krisenzeiten gefragt.
  3. Die Nachrichtenstrategie funktioniert crossmedial.
  4. Zur Nachricht wird, was nicht alltäglich ist.
  5. Die Nachrichtenfaktoren sind das Navigationssystem für Relevanz.

Literatur

(1) Taitl, Georg (2020): „Nicht beruhigen, sondern aufklären und informieren“ In: Der Österreichische Journalist, Nr. 2/2020, Oberauer, Eugendorf, S. 33-35.

(2) Brandtner, Michael (2020): Sieben neue Denkansätze für den Marken- und Markterfolg. In: Absatzwirtschaft, Nr. 5/2020, Deutscher Marketing Verband e. V., Düsseldorf, S. 40-44.

(3) Aischylos (2018): Die Orestie. Agamemnon. Choephoren. Eumeniden. Reclam, Ditzingen. (Buch bei amazon.de)

(4) Aschoff, Volker (1984): Geschichte der Nachrichtentechnik. Springer, Berlin/Heidelberg. (Buch bei amazon.de)

(5) Liesem, Kerstin (2015): Professionelles Schreiben für den Journalismus. Springer VS, Wiesbaden. (Buch bei amazon.de)

(6) Schwiesau, Dietz; Ohler, Josef (2016): Nachrichten – klassisch und multimedial. Ein Handbuch für Ausbildung und Praxis. Springer VS, Wiesbaden. (Buch bei amazon.de)

(7) Galtung, Johan; Ruge, Mari Holmboe (1965): The Structure of Foreign News. The Presentation of the Congo, Cuba and Cyprus Crisis in Four Norwegian Newspapers. In: Journal of Peace Research, 1965:2, S. 65-91, PDF.

Titelbild: Shutterstock.com