Kommunikationsprojekte scheitern häufig an nicht adäquaten Strukturen. Der Organisationskompass hilft dabei, Widerstände zu beseitigen und das Vorhaben auf Kurs zu halten.
Ambitionierte Kommunikationsvorhaben sind Change-Projekte mit hoher sozialer Komplexität: In der Regel sollen Mitarbeiter*innen aus verschiedenen Abteilungen das Projekt gemeinsam zum Erfolg führen.
In ihrem Bestseller „Beyond Performance“ zeigen Scott Keller und Colin Price, dass die Zusammenarbeit in den allermeisten Fällen schief geht: Zu 72 Prozent scheitern Change-Projekte an internen Widerständen oder an der fehlenden Unterstützung durch das Management. (1)
Die Organisation von Kommunikatonsprojekten ist ein zentraler, aber in der Praxis stark vernachlässigter Aspekt. Ein ideales Instrument für die Organisation von Marketing- und Kommunikationsprojekten ist für mich der Organisationskompass, den ich bei Isabella Klien kennenlernen durfte. Isabella Klien ist Autorin des empfehenswerten Praxisratgebers „Der Organisationskompass in Coaching und Beratung“ (2).
Die Betrachtung des Organisationskompasses beginnt im Kern beim Sinn, wandert dann nach oben zur Führung und bewegt sich im Uhrzeigersinn über Vision und Gemeinschaft zum Management. Diesem überschaubaren System lassen sich viele bewährte Ansätze zuordnen, die der Organisation von Kommunikationsprojekten förderlich sind.
1. Sinn
Der Sinn im Organisationskompass steht für die Mission, also die Daseinsberechtigung eines Unternehmens. Für Franz-Rudolf Esch fungiert die Mission als „Stern am Horizont“, an dem sich die Mitarbeiter*innen zwar orientieren können, den sie aber nie erreichen werden. (3)
Die Mission wird als kurzer und einprägsamer Leitsatz formuliert. Dieses Mission Statement sollte möglichst langlebig sein und aktuellen Trends standhalten können. Im Kern beantwortet es die Frage, warum es ein Unternehmen überhaupt gibt – kurz, prägnant und möglichst konkret.
Zu einem Klassiker ist etwa das Mission Statement von Google geworden: „Die Informationen dieser Welt organisieren und allgemein zugänglich und nutzbar machen.“ In diesem Satz steht nichts von einzelnen Google-Diensten wie Chrome, Gmail, Suche oder YouTube. Produkte und Dienstleistungen unterliegen dem Wandel der Zeit – ein gutes Mission Statement hingegen muss von diesen unabhängig funktionieren.
Ein schönes Mission Statement hat auch das Ordensklinikum Linz: „Der Not der Zeit begegnen, um die Menschen wieder froh zu machen.“ Kann es einen besseren Sinn für ein Krankenhaus geben?
2. Führung
Das zweite Betrachtungsfeld im Organisationskompass bezieht sich auf die Führung. Was zeichnet eine gute Führungskraft aus? Linda A. Hill und Kent Lineback geben auf diese Frage in ihrem Buch „Being the Boss“ eine klare Antwort: Es ist das Vertrauen. Vertrauen hat zwei Ebenen: Einerseits das Vertrauen in die Kompetenz, andererseits das Vertrauen in den Charakter. (4)
Kompetenz umfasst den Anspruch, dass Führungskräfte wissen, was zu tun ist. Sie müssen das Business kennen und verstehen. Charakter meint, dass Mitarbeiter*innen sich darauf verlassen können, dass Führungskräfte an bestimmte Werte glauben und diese auch einhalten. Das ist für Mitarbeiter*innen letztendlich die einzige Möglichkeit, einschätzen zu können, wie die Chefetage tickt.
Hill und Lineback listen eine ganze Reihe von Fragen, mit deren Hilfe Manager*innen beurteilen können, ob ihre Mitarbeiter*innen Vertrauen in ihren Charakter haben:
Würden Ihre Mitarbeiter*innen sagen, dass Sie …
- … hart arbeiten?
- … das tun, was Sie predigen?
- … sich mehr um die Mitarbeiter*innen sorgen als um sich selbst?
- … die Meinungen Ihrer Mitarbeiter*innen ernst nehmen?
- … in der Lage sind, andere Standpunkte zu verstehen?
- … Ihre Fehler offen eingestehen?
- … sich selbst keine Privilegien zugestehen?
Können Sie diese Fragen ehlich mit ja beantworten? Dann Hut ab! Als Führungskraft sind Sie ein Vorbild.
3. Ziele
Kommen wir zum dritten Betrachtungsfeld des Organisationskompasses. Ein bekanntes Zitat des legendären chinesischen Philosophen Laozi lautet: „Nur wer sein Ziel kennt, findet den Weg.“ Obwohl das Zitat reichlich abgedroschen klingt, ist es nicht weniger richtig. Alle Mitarbeiter*innen in einem Kommunikationsprojekt müssen wissen, was das übergeordnete Ziel – also die Vision – des Vorhabens ist.
„Die Vision ist eine Zukunftskreation, keine Zukunftsvorhersage!“, stellt Franz-Rudolf Esch (3) klar. Die tatsächliche Erreichung ist nicht zwingend, die Mitarbeiter*innen müssen aber zumindest daran glauben können.
So begeisterte etwa die spektakuläre Gründungsvision von Bill Gates aus dem Jahre 1975 die frühen Microsoft-Mitarbeiter: „Ein Computer auf jedem Schreibtisch und in jedem Zuhause.“ Ein klare Ansage, die zumindest in Industrieländern längst Realität geworden ist.
Wenn das Mission Statement der Stern am Horizont ist, dann ist die Vision der Berggipfel, der erklommen werden soll, meint Esch (3).
Aus der Vision leiten sich die strategischen Ziele ab, die mittelfristig erreicht werden sollen. Von entscheidender Bedeutung dabei ist, dass die Ziele realistisch aber durchwegs ehrgeizig gesteckt werden. Als Instrumente dafür eignen sich die SMART-Methode und die Ryddematta.
4. Gemeinschaft
Im vierten Betrachtungsfeld der Gemeinschaft dreht sich alles um die Gestaltung von Beziehungen nach außen und innen (5). Bei den Außenbeziehungen geht es darum, die für den Projekterfolg wichtige externe Umwelten zu bewerten. Diese umfassen Stakeholder wie z. B. Medien, Lieferant*innen und Kund*innen. Hier gilt es, den Dialog an allen Schnittstellen aktiv, offen und transparent zu pflegen.
Im Hinblick auf die Innenbeziehungen ist es entscheidend, dass das Engagement des Projektteams nachhaltig sichergestellt werden kann. Mitarbeiter*innen müssen also ein hohes Commitment an den Tag legen, damit das Projekt erfolgreich abgeschlossen werden kann.
Für Robert B. Cialdini sind Commitment und Konsistenz ein untrennbares Gespann (6). Konsistenz bedeutet, dass Menschen in Übereinstimmung mit ihrem früheren Verhalten handeln. Wenn Sie sich ein neues Auto anschaffen, werden Sie vor sich selbst oder Ihren Freunden kaum eingestehen, dass es möglicherweise zu teuer war. Stattdessen werden Sie Ihre Entscheidung rechtfertigen, z. B. durch den Hinweis auf die luxuriöse Ausstattung, den bestechenden Fahrkomfort oder die herausragende Motorleistung.
Commitment sorgt dafür, dass Konsistenz aktiviert wird. Es ist nichts anderes als eine innere Verpflichtung, jene Dinge zu tun, die in Einklang mit ihrer Festlegung stehen. Wenn wir beim Beispiel des Autokaufs bleiben: Als Sie den Kaufvertrag unterschrieben haben, war es um Sie geschehen. Sie fühlen sich an ihre Verpflichtung gebunden, den Wagen auch tatsächlich zu kaufen.
Commitments sind vor allem dann effektiv, wenn sie schriftlich abgeben werden. Für Cialdini ist dieser Akt eine „magische Handlung“, die zur Selbstverpflichtung führt. Für erfolgreiche Kommunikationsprojekte ist es daher unerlässlich, schriftliche Leistungsverbeinbarungen zu treffen. Diese beinhalten die Dauer, Ziele und Umfang des Vorhabens. Eine Überregulierung halte ich für wenig sinnvoll – sie erzeugt Unsicherheiten und bremst den Elan.
5. Management
Die Installierung eines professonellen Projektmanagements ist für mich das Mittel der Wahl, um ein Kommunikationsprojekt zum Erfolg zu führen. Nach Sterrer und Winkler (7) umfasst das Projektmanagement die folgenden sechs Stufen:
- Projektabgrenzung und Projektkontextanalyse
- Projektauftrag
- Leistungsplanung
- Terminplanung
- Personalplanung
- Kostenplanung
Eine detaillierte Beschreibung der einzelnen Stufen würde den Rahmen dieses Blogbeitrags deutlich sprengen. Für weiterführende Informationen zu den einzelnen Instrumenten und Tools des Projektmanagements möchte ich daher auf den Überblick im Projektmagazin verweisen.
Hier nur so viel: Die Projektabgrenzung und Projektkontextanalyse dient dazu, dass zu Beginn eines Projekts alle Mitarbeiter*innen über den selben Informationsstand verfügen. Während aber die Projektabgrenzung scharfe Trennlinien zeht, beschreibt die Kontextanalyse die Zusammenhänge. Beide Bereiche werden jeweile in eine zeitliche, sachliche und soziale Dimension unterschieden.
In der Projektabgrenzung und Projektkontextanalyse wird der Löwenanteil der Projektplanung erledigt. Der nächste Schritt ist der Projektauftrag, der alle Ergebnisse aus der Abgrenzung und Kontextanalyse auf einer Seite zusammenfasst. Für die tatsächliche Ausführung eines Projekts ist ein unterschriebener Projektauftrag Voraussetzung.
Im Anschluss daran werden die Leistungen (Projektstrukturplan mit Projektphasen und Arbeitspaketen), Termine (z. B. Meilenstein), Personalbedarf und Kosten geplant.
Wurzeln des Organisationskompasses
Der Organisationskompass hat seine absolute Praxistauglichkeit in vielen Kommunikationsprojekten unter Beweis gestellt. Das hier vorgestellte Modell stellt eine vereinfachte Version des „Medicine Wheel Tools“ der kanadischen Organisationsberaterin Birgitt Williams dar.
Der Name „Medicine Wheel Tool“ macht deutlich, dass das Instrument vom Medizinrad indigener Gesellschaften in Nordamerika inspiriert wurde. Laut Buhl-Böhnert und Schöneberg war es allerdings der Open-Space-Vordenker Harrison Owen, der das Medizinrad in abgewandelter Form auf Organisationen übertrug (5). Von Williams aber stammt der Sinn im Zentrum des Organisationskompasses, der für mich ein unverzichtbarer Bestandteil ist.
Die Farben in meiner Grafik entsprechen jener im Medizinrad der Lakota. Bei den Lakota stehen die vier Segmente sowohl für die Himmelsrichtungen als auch für unterschiedliche Tugenden.
- Norden (rot): Mut
- Osten (gelb): Respekt
- Süden (weiß): Weisheit
- Westen (schwarz): Großzügigkeit
In den Great Plains – also im Norden der USA und im Süden von Kanada – sind überdimensionale Medizinräder in Form von Steinkreisen zu finden. 135 solcher Steinformationen wurden bislang als „Medicine Wheels“ anerkannt.
Der bekannteste Fundort ist das „Big Horn Medicine Wheel“ im Bighorn National Forest im US-Bundesstaat Wyoming. Es hat einen Durchmesser von 23 Meter, die Entstehungszeit wird zwischen 1400 und 1700 datiert.
Interesse an einer Zusammenarbeit?
Der Organisationskompass ist ein integraler Bestandteil meiner Marketing-Pyramide. Möchten Sie das Modell besser kennenlernen? Dann freue ich mich auf Ihre Kontaktaufnahme per E-Mail an martin@sturmer.at oder per Telefon +43 699 1135 33 99.
Literatur
(1) Keller, Scott; Price, Colin (2011): Beyond Performance. How Great Organizations Build Ultimate Competitive Advantage. Wiley, Hoboken. (Buch bei amazon.de)
(2) Klien, Isabella (2019): Der Organisationskompass in Coaching und Beratung: Einzelne, Teams und Organisationen ganzheitlich, werteorientiert und lebendig begleiten. Beltz, Weinheim. (Buch bei amazon.de)
(3) Esch, Franz Rudolf (2016): Identität. Das Rückgrat starker Marken. Campus, Frankfurt am Main. (Buch bei amazon.de)
(4) Hill, Linda A; Lineback, Kent (2019): Being the Boss. The 3 Imperatives for Becoming a Great Leader. Harvard Business Review Press, Boston. (Buch bei amazon.de)
(5) Buhl-Böhnert, Thomas; Schönberg, Gerlinde (2017): Der Organisationskompass in der Praxis. Ein Navigationsinstrument für Führungskräfte und Berter. 2., aktualisierte Auflage. Expert Verlag, Renningen. (Buch bei amazon.de)
(6) Cialdini, Bobert B. (2017): Die Psychologie des Überzeugens. Wie Sie sich selbst und Ihren Mitmenschen auf die Schliche kommen. 8. Auflage. Hofgrefe, Bern. (Buch bei amazon.de)
(7) Sterrer, Christian; Winkler, Gernot (2009): Let Your Projects Fly. Goldegg, Wien. (Buch bei amazon.de)
Titelbild: Nose Hill Siksikaitsitapi Medicine Wheel in Calgary, Kanada (Shutterstock.com)