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Behavioral Branding

Nach einem langen Arbeitstag fahre ich gemütlich nachhause. Der Berufsverkehr ist stark, die meisten Autofahrer verhalten sich aber diszipliniert. Plötzlich schert hinter mir ein Lieferwagen aus und setzt zu einem waghalsigen Überholmanöver an.

Um einen Zusammenstoß mit dem Gegenverkehr zu vermeiden, schneidet der Lieferwagen gefährlich in die Lücke vor mir. Gottlob passiert nichts – dank meines Bremsmanövers. Doch bin ich über diese Rücksichtslosigkeit einigermaßen verärgert.

Als ich auf dem Heck des Lieferwagens das Logo eines Installateurbetriebs erkenne, schießen mir unweigerlich Worte durch den Kopf, die ich an dieser Stelle nicht wiederholen möchte. Klar ist aber: Bei diesem Unternehmen werde ich wohl nie Kunde werden.

Mitarbeiter sind Markenbotschafter Nr. 1

Einen ähnlichen Vorfall haben Sie vermutlich selbst schon erlebt. Das Beispiel macht deutlich, wie entscheidend korrektes Mitarbeiterverhalten sein kann – nicht nur im Straßenverkehr sondern an allen möglichen Kontaktpunkten mit Kunden.

Mitarbeiter sind die „wichtigsten Botschafter eine Marke überhaupt“, schreiben Franz-Rudolf Esch, Christian Knörle und Kristina Strödter in ihrem Buch „Internal Branding“. Und weiter: „Jeder Kundenkontakt trägt zur Markenbildung bei – im Positiven und Negativen.“ (1)

Das Fehlverhalten des Fahrers des Lieferwagens färbt also unweigerlich auf das Image der Firma ab.

Dreiklang aus Wissen, Wollen & Können

Als Vorbereitung zu meinem Seminar Corporate Influencer am 28. Mai 2019 in Salzburg beschäftige ich mich gerade intensiv damit, wie markenkonsistentes Verhalten von Mitarbeitern in sozialen Netzwerken ermöglicht werden kann. Denn die Markenbotschafter aus den eigenen Reihen haben enormes Potenzial.

Es ist hinlänglich bekannt, dass Personen auf Facebook wesentlich höhere Interaktionsraten erzielen als anonyme Marken-Profile. Außerdem überzeugen Corporate Influencer durch Authentizität und Fachwissen.

Mit Fragen des markenkonsistenten Verhaltens beschäftigt sich die Diszplin Behavioral Branding, die im deutschsprachigen Raum wesentlich von Forschern rund um Franz-Rudolf Esch geprägt wird.

Wentzel et al. haben Brand Behavior aus der Perspektive des einzelnen Mitarbeiters untersucht. Sie gingen dabei der Frage nach, wie markenkonformes Verhalten entsteht und welche physischen und psychischen Dispositionen für einen Mitarbeiter notwendig sind. Dafür haben sie drei Voraussetzungen identifiziert: Wissen, Wollen und Können. (2)

1. Wissen

Mitarbeiter müssen wissen, wofür die Marke steht und wie ihr Verhalten zur Markenbildung beiträgt. Die Kenntnis der Markenidentität – also das Selbstbild eines Unternehmens über die Marke – wird allerdings oft nur unzureichend vermittelt.

In Anlehnung an Esch 2016 müssen Markenbotschafter folgende Elemente der Markenidentität in- und auswendig kennen (3):

  • Mission: Warum gibt es unser Unternehmen und was treibt uns an?
  • Werte: Wofür stehen wir ein?
  • Kernkompetenzen: Was können wir richtig gut?
  • Differenzierung: Was unterscheidet uns?
  • Vision: Was wollen wir erreichen?

2. Wollen

Ein häufiges Problem ist, dass sich Mitarbeiter gar nicht als Markenbotschafter vor den Karren spannen lassen wollen. Erfolgreiche Markenbotschafter-Programme setzen auf das Prinzip der Freiwilligkeit. „Jeder kann, keiner muss“, lautet etwa das Paradigma beim Jobbotschafter-Programm von OTTO.

Wirft man allerdings einen Blick auf den Gallup-Engagement-Index 2018, mag man den Grund erkennen, warum gutgemeinte Corporate-Influencer-Initiativen häufig im Sand verlaufen: In Deutschland haben 85 Prozent aller Mitarbeiter kein Commitment mit ihrem Unternehmen. 71 Prozent machen mehr oder weniger Dienst nach Vorschrift, 14 Prozent haben innerlich bereits gekündigt. (4)

Lediglich 15 Prozent der Arbeitnehmer haben eine enge emotionale Bindung zum Unternehmen. In dieser Gruppe schlummert das höchste Potenzial für Markenbotschafter: 82 Prozent der würden die Produkte und Dienstleistungen ihres Unternehmens Freunden und Bekannten empfehlen.

Commitment sorgt also für bessere Geschäfte: Unternehmen, deren Mitarbeiter sich emotional verbunden fühlen, weisen eine signifikant höhere Produktivität und Rentabilität auf. (4)

3. Können

Schlußendlich ist es natürlich auch entscheidend, die notwendigen Fertigkeiten an die Mitarbeiter zu vermitteln. Auf dem Lehrplan für angehende Corporate Influencer können je nach Vorqualifikationen und Interessen folgende Inhalte stehen:

  • Wirkungsmechanismen im digitalen Marketing
  • Content-Strategie und Content Marketing
  • Zielgruppen: Sinus-Milieus, Small Data, Personas
  • Storytelling für Web & Social Media
  • Einsatz von Bildern und Video
  • Social-Media-Plattformen
  • Community Management
  • Tools für Analyse und Monitoring
  • Employee-Advocacy-Instrument wie z. B. Smarp

Literatur

(1) Esch, Franz-Rudolf; Knörle, Christian; Strödter, Kristina (2014): Internal Branding. Wie Sie mit Mitarbeitern die Marke stark machen. Vahlen, München. (Buch bei amazon.de)

(2) Wentzel, Daniel; Tomczak, Torsten; Kernstock, Joachim; Brexendorf ,Tim; Henkel, Sven (2012): Der Funnel als Analyse- und Steuerungsinstrument von Brand Behavior. In: Tomczak, Torsten, Esch, Franz-Rudolf; Kernstock, Joachim; Hermann, Andreas (Hrsg.): Behavioral Branding. Wie Mitarbeiterverhalten die Marke stärkt. 3. Auflage, Gabler, Wiesbaden, S. 82-99. (Buch bei amazon.de)

(3) Esch, Franz-Rudolf (2016): Identität. Das Rückgrat starker Marken. Campus, Frankfurt am Main. (Buch bei amazon.de)

(4) Nink, Marco (2018): Engagement Index Deutschland 2018. Präsentation zum Pressegespräch am 29. August 2018 in Berlin. (PDF)

Titelbild: Shutterstock.com