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Die erste Pressemitteilung

Am 28. Oktober 1906 kamen bei einem Zugsunglück in Atlantic City, New Jersey, 53 Menschen ums Leben. Der PR-Pionier Ivy Lee, der im Sold der „Pennsylvania Railroad Company“ stand, trat die Flucht nach vorne an. Und verfasste die erste Pressemitteilung der Geschichte.

Die Zugbrücke über den Thoroughfare, die Atlantic City mit dem Festland verband, war erst wenige Stunden zuvor in Betrieb genommen worden. Der Mechanismus schien reibungslos zu funktionieren. Als sich ein Boot näherte, hoben sich die beiden Zugbrückenteile ohne Probleme.

Um 14:20 geschah dann das Unglück: Ein Elektrotriebwagen der „Pennsylvania Railroad Company“ entgleiste auf der Brücke, die beiden Wagons stürzten in den Thoroughfare.

Für die meisten der 87 Fahrgäste gab es kein Entrinnen. Wie damals üblich, waren die Türen fest verschlossen. Der Geistesgegenwart eines Bremsers war es aber zu verdanken, dass nicht alle Passagiere ertranken: Ihm gelang es, eine Tür im letzten Wagon zu öffnen und damit 34 Fahrgästen das Leben zu retten.

Krisenmanagement nach Tragödie

Der PR-Pionier Ivy Lee erkannte sofort, dass angesichts der menschlichen Tragödie größtmögliche Offenheit gegenüber den Medien notwendig war. Am 29. Oktober verfasste er die erste Pressemitteilung der Geschichte. Die Stellungsnahme erschient ungekürzt am 30. Oktober in der „New Yorks Times“.

Abdruck der ersten Pressemitteilung der Geschichte: Statement from the Road, New York Times, 30. Oktober 1906
AbDer Abdruck der Pressemitteilung von Ivy Lee in der „New York Times“ vom 30. Oktober 1906. (Bild: Wikimedia Commons, Public Domain)

Wie unschwer zu erkennen ist, handelt es sich bei dem Text auch um ein frühes Beispiel für Krisenkommunikation. Lee schrieb in seinem Pressestatement, dass die Ursache des Unglücks bislang ungeklärt war. Sicher war für ihn ledilgich, dass der Mechansimus der Zugbrücke einwandfrei funktioniert hatte und am Unfall keine Schuld tragen konnte.

Wie sich später herausstellte, hatte sich Lee geirrt: Untersuchungen ergaben, dass sich der östliche Zugbrückenteil nicht ganz geschlossen hatte. Das unterschiedliche Niveau zwischen den beiden Teilen führte letztendlich dazu, dass der Zug entgleiste.

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„Poison Ivy“ auf Abwegen

Ivy Ledbetter Lee (1877-1934) gilt neben Edward Bernays als Vater der modernen PR. 1904 war Lee Mitbegründer einer der ersten PR-Agenturen überhaupt – „Parker and Lee“ in New York City. (Anmerkung: Als älteste Agentur gilt „The Publicity Bureau“, die im Jahr 1900 in Bosten gegründet wurde.)

Ivy Lee verstand schon früh die Notwendigkeit, die Öffentlichkeit aktiv mit Informationen zu versorgen und damit das Image seiner Kunden zu verbessern. So war der „Pennsylvania Railroad Company“ lange Zeit vorgeworfen worden, Sicherheitsaspekte aus Kostengründen zu vernachlässigen. Lee gelang es, der Öffentlichkeit das Bild eines kundenfreundlichen Unternehmens zu vermitteln.

Ivy Ledbetter Lee (1877-1934)
Ivy Lee war ein Wegbereiter der modernen PR. In moralischer Hinsicht war er aber alles andere als ein Vorbild. (Bild: Wikipedia, Public Domain)

Zu den prominentesten Kunden von Ivy Lee gehörten der Unternehmer John D. Rockefeller Jr. und dessen Vater John Rockefeller Sr. Die Rockefeller-Familie betrieb Kohlenbergwerke in Ludlow, Colorado. In den dortigen Minen herrschten für die Arbeiter unzumutbare Bedingungen.

1914 kam es infolge eines Streiks zu einer bewaffneten Auseinandersetzung zwischen Kohlearbeitern und der Nationalgarde. Das sogenannte „Ludlow-Massaker“ vom 20. April 1914 kostete 25 Menschen das Leben. Weil Lee im Zusammenhang mit dem Massaker Unwahrheiten verbreitete, verliehen ihm Zeitungsreporter den wenig schmeichelhaften Beinamen „Poison Ivy“.

Im Bann der Nazis

Seinem Erfolg tat das freilich zunächst keinen Abbruck. Nachdem er das Image von Rockefeller Jr. und der Minengesellschaft aufpoliert hatte, kümmerte sich Lee um das Ansehen des ungeliebten Öl-Milliardärs Rockefeller Sr. Dazu lancierte er positive Berichte aus dem Privatleben Rockefellers und schuf damit die ersten Homestorys.

Stark in die Kritik geriet Lee wegen seiner Beratungstätigkeit für das deutsche Chemie-Kartell IG Farben, das den Aufsteig der Nationalsozialisten förderte. Mehrfach reiste Lee nach Nazi-Deutschland. 1934 soll es zumindest zu einem Treffen mit Adolf Hitler und Reichspropagandaleiter Joseph Göbbels gekommen sein.

Nach seiner Rückkehr in die Vereinigten Staaten musste sich Ivy Lee wegen seiner Nazi-Verbindungen im Frühjahr 1934 vor einem Untersuchungsausschuss des Kongresses verantworten. Seine eigene Reputation sank in den Keller.

Bald darauf erhielt er die Nachricht, dass er an einem Gehirntumor litt. Am 9. November 1934 starb Ivy Lee im Alter von 57 Jahren an den Folgen der Erkrankung.

Titelbild: Das Eisenbahnunglück von Atlantic City im Jahr 1906 (Quelle: Wikipedia, Public Domain)