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Identity Leadership: Das Vorbild Mandela

Moderne Kommunikationsstrategien wie Corporate-Influencer-Programme und Corporate Newsrooms sind Change-Projekte mit hoher sozialer Komplexität. Die Basis für ihre erfolgreiche Umsetzung ist, dass alle Teammitglieder an einem Strang ziehen. Wie kann aber ein echtes Wirgefühl bewerkstelligt werden?

Das Wir-Gefühl werde in erster Linie über eine gemeinsame Identität erzeugt, meinen Rolf van Dick und Nik Steffens. In einem Beitrag für eine Spezialausgabe des Harvard Business Managers schreiben die beiden Psychologen: „In Teams, die eine gemeinsame Identität entwickeln, gehen Mitarbeiter die berühmte Extrameile.“

Das Konzept der Identity Leadership wurde von den Psychologieprofessoren Alex Haslam, Steve Reicher und Michael Platow entwickelt. Internationale Studien belegen, dass Identity Leadership überall auf der Welt zu positiven Ergebnissen beiträgt. Die Daten von van Dick und Steffens zeigen, dass diese Art des Führens Arbeitszufriedenheit, Engagement, Kreativität, Produktivität und Wohlbefinden der Mitarbeitenden fördert.

Identity Leadership umfasst nach van Dick und Steffens die folgenden vier Dimensionen:

Prototypikalität: Die Führungskraft ist ein gutes Beispiel für das Team, sie ist praktisch „eine von uns“. Prototypisch heißt dabei nicht, dass die Führungskraft dabei genau den Durchschnitt verkörpert, sondern sie stellt vielmehr das Ideal der Gruppe dar.

Entrepreneurship: Die Führungskraft sorgt für Zusammenhalt im Team. Das gelingt durch die Vermittlung von Werten und Idealen.

Advancement: Die Führungskraft wird als Verfechter*in der Interessen der Teammitglieder betrachtet. Sie stellt persönliche Vorteile hinten an und setzt sich für Mitarbeiter*innen ein.

Impressarioship: Die Führungskraft schafft Strukturen, die für das Team nützlich sind. Dabei geht es um Gelegenheiten, in denen sich die Mitarbeiter*innen austauschen und ihrer Identität bewusst werden können. Dazu zählen z. B. identitätsstiftende Rituale wie Feiern, Betriebsausflüge oder andere Formen von informellen Zusammenkünften.

Identity Leadership durch Nelson Mandela

Der Führungsstil des ehemaligen südafrikanischen Präsidenten und Friedensnobelpreisträgers Nelson Mandela ist ein Paradebeispiel für gekonnte Identity Leadership. In unserem Buch und Webinar Ubuntu: Mandela für Führungskräfte vermitteln Daniela Molzbichler und ich die Grundzüge von seinen herausragenden Führungsqualitäten.

Cover Ubuntu - Mandela für Führungskräfte von Daniela Molzbichler und Martin Sturmer
Das Buch „Ubuntu – Mandela für Führungskräfte“ ist bei Springer Gabler erschienen.

Mandela war stolz auf seine Wurzeln als Angehöriger eines Königshauses, verwies aber häufig auf die einfachen Lebensumstände, in denen er aufwuchs. In seiner Biografie „Der lange Weg zu Freiheit“ erzählt Mandela, wie er bereits als Fünfjähriger zum Hirtenjungen wurde. Im Hinblick auf die Prototypikalität war er also stets darauf bedacht, als “einer von uns” betrachtet zu werden.

In Sachen Entrepreneurship versuchte Mandela, eine klare Mission zu vermitteln: „Gleiche Rechte für alle“, war sein Leitprinzip. Mandela stand zu diesem Ideal selbst dann, als sein eigenes Leben in Gefahr war. Im Rivonia-Prozess riskierte er als „Angeklagter Nr. 1“ die Todesstrafe, als er vor Gericht zugab, Sabotageaktionen gegen die Regierung geplant zu haben.

Street Art im Gedenken an Mandelas Rede im Rivonia-Prozess in der Nähe von Mandelas Wohnhaus in Orlando West, Soweto (Quelle: Francisco Anzola, Rivonia treason trial, CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=83684810)

Seine über vierstündige Verteidigungsrede „I Am Prepared to Die“ vom 20. April 1964 gilt als eine der wichtigsten politischen Ansprachen der Geschichte. Abb. 2.2 zeigt, dass die Erinnerung an diesen Schlüsselmoment auch heute noch in Südafrika lebendig gehalten wird. Mandelas Rede endete mit den Worten:

Mein Leben lang habe ich mich diesem Kampf des afrikanischen Volkes gewidmet. Ich habe gegen weiße Vorherrschaft gekämpft, und ich habe gegen schwarze Vorherrschaft gekämpft. Ich habe das Ideal der Demokratie und der freien Gesellschaft hochgehalten, in der alle Menschen in Harmonie und mit gleichen Möglichkeiten zusammenleben. Es ist ein Ideal, für das ich zu leben und das ich zu erreichen hoffe. Doch wenn es sein soll, so bin ich für dies Ideal auch zu sterben bereit.

Nelson Mandela, Der lange Weg zur Freiheit

Während seiner langen Haftstrafe hat Nelson Mandela Hunderte von Briefen verfasst – darunter viele an seine Frau Winnie, seine Kinder und andere Weggefährt*innen. In Schreiben an die Gefängnisleitung prangerte er aber auch die katastrophalen Haftzustände sowie die häufigen Übergriffe und Schikanen durch das Personal an.

Am 11. September 1989 – Mandela war zu dieser Zeit bereits 71 Jahre alt und im Victor-Verster-Gefängnis in Paarl inhaftiert – setzte er sich in einem Brief an den Gefängnisverwaltung für die Freilassung von acht Gefangenen ein. Fünf von ihnen waren mit Mandela 1964 im Rivonia-Prozess zu lebenslanger Haft verurteilt worden, sie waren mittlerweile allesamt über 60 Jahre alt. Das ist vorbildhaftes Advancement – sich für die Belange von Mitstreiter*innen einzusetzen, ohne sich selbst dadurch einen Vorteil zu erhoffen.

Mandelas Zelle auf Robben Island: Südafrikas Ikone saß 18 Jahre in der vier Quadratmeter kleinen Einzelzelle ein. (Bild: Shutterstock.com)

Das Apartheid-Regime versuchte konsequent, den Austausch über die Fortführung des Freiheitskampfes und damit Impressarioship durch Mandela zu verhindern. Bis ins Jahr 1980 hatten die Gefangenen auf Robben Island keinerlei Zugang zu Nachrichtenmedien. Und in den ersten Jahren auf Robben Island war es Mandela erlaubt, nur alle sechs Monate einen Besuch zu erhalten und einen Brief zu schreiben sowie zu empfangen. Das Besuchs- und Korrespondenzrecht war darüber hinaus eingeschränkt auf Verwandte ersten Grades.

Auch nach der Lockerung der Bestimmungen erreichten längst nicht alle Schreiben ihre Adressat*innen: Manche wurden von der Zensur zur Unverständlichkeit verstümmelt, andere wurden eine Zeitlang zurückgehalten, andere erst gar nicht abgeschickt.

Manchmal fand Mandela Wege, die Aufsicht zu umgehen: Briefe wurden mit den Habseligkeiten freigelassener Häftlinge aus dem Gefängnis geschmuggelt. Ein Beispiel dafür war ein Aufruf von Nelson Mandela vom 11. Oktober 1978, der in den folgenden Worten endete:

Vereint Euch! Mobilisiert Euch! Kämpft weiter! Zwischen dem Amboss vereinter Massenaktionen und dem Hammer des bewaffneten Kampfes werden wir die Apartheid und die rassistische Herrschaft der weißen Minderheiten zerschlagen.

Nelson Mandela, South African History Online

Titelbild: Nelson Mandela im Jahr 2006 (Foto: Alessia Pierdomenico, Shutterstock.com)