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Stimme des Südens: 50 Jahre IPS

Die Nachrichtenagentur Inter Press Service (IPS) feiert am 14. April 2014 ihren 50. Geburtstag. Seit der Gründung verfolgt die Agentur einen bemerkenswerten Ansatz: Die Beiträge werden großteils von Journalisten in Afrika, Asien und Lateinamerika verfasst.

Als Generalsekretär der Vereinten Nationen, als Ghanaer und als Afrikaner habe ich die IPS-Berichterstattung immer sehr geschätzt.

Mit diesen Worten würdigte der ehemalige UN-Generalsekretär Kofi Annan die Arbeit der Nachrichtenagentur Inter Press Service (IPS). Vor allem der von IPS gelebte Perspektivenwechsel wurde von Annan in höchsten Tönen gelobt: Die Beiträge werden großteils von Journalisten in Afrika, Asien und Lateinamerika verfasst; sie präsentieren damit Themen und Sichtweisen aus Ländern, die im Strom des internationalen Nachrichtenflusses unterzugehen drohen.

Laut Jahresbericht 2010 beschäftigte IPS 453 Journalisten, die aus 506 Orten in 136 Nationen berichteten. Mehr als 70 Prozent der Korrespondenten waren in afrikanischen, asiatischen oder lateinamerikanischen Ländern beheimatet. Pro Monat wurden im Durchschnitt 627 Beiträge in den Hauptsprachen Englisch (346 Beiträge), Spanisch (234 Beiträge) und Französisch (47 Beiträge) produziert. Diese wurden für internationale Kunden in weitere 23 Sprachen übersetzt. Zusätzlich hat IPS in diesem Jahr 123 Kolumnen von prominenten Gastautoren wie dem ehemaligen FAO-Generaldirektor Jacques Diouf oder Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff verbreitet (IPS 2011).

Die IPS-Berichterstattung stößt international auf zunehmende Resonanz: Zwischen 2007 und 2010 haben 5.010 Medien die Beiträge derNachrichtenagentur veröffentlicht. Die Anzahl der Clippings ist in vier Jahrenum 157 Prozent gestiegen – von 3.117 (2007) auf 8.040 (2010) pro Monat (IPS 2011).

In ihrer fast 50-jährigen Geschichte stand die Nachrichtenagentur finanziell mehrmals auf der Kippe. Dass IPS allen Unkenrufen zum Trotz heute höchst lebendig agiert, ist für den Schriftsteller Eduardo Galeano (zit. nach IPS 2012) der Hartnäckigkeit seiner Protagonistenzu verdanken:

IPS is living proof that miracles exist, assuming that they are human. This miracle is the fruit of the human obstinacy of seamen that traverse human waters, day after day, opening the way for honest information and free opinion.

Die Geburtsstunde in der Ewigen Stadt

Die von Galeano angesprochene Hartnäckigkeit zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte von IPS. Eine Geschichte, die eng mit der ihres Gründers Roberto Savio verbunden ist. In seinem Buch „The Journalists Who Turned The World Upside Down“ erinnert Savio (2012a) an die Situation im internationalen Nachrichtengeschäft zu Beginn der 1960er Jahre: Informationen flossen ausschließlich vom Norden in den Süden; die Weltagenturen Reuters, AFP, UPI und AP produzierten mehr als 90 Prozent der internationalen Berichterstattung.

Roberto Savio wurde am 15. September 1934 in Rom geboren. Bereits während seines Wirtschaftsstudiums an der Universität Parma in den 1950er Jahren betätigte er sich als freier Journalist (Savio 2012c). Außerdem engagierte sich Savio bei den Jungen Christdemokraten. Nach ausgedehnten Reisen durch Afrika, Asien und Lateinamerika begann der italienisch-argentinische Doppelstaatsbürger an einer Artikelserie über die Wissens- und Verständnislücken zwischen Nord und Süd zu schreiben.

1963 nahm der argentinische Politikstudent Pablo Piacentini Kontakt zu ihm auf. Piacentini war mithilfe eines Stipendiums der italienischen Regierung nach Rom gekommen und machte Savio den Vorschlag zur Gründung einer internationalen Presseagentur (Salamanca Orrego 1993). Savio (2012a: 31) erinnert sich an diese Begegnung wie folgt:

Pablo had no capital, but he offered to put together a network of Latin American students living in Europe who were willing to write articles free of charge to promote a better understanding of Latin America. They lived in Europe and they were tired of reading about their countries in local newspapers only in the event of coups d’état or natural disasters. I had my bachelor flat, where I could convert a bedroom into an office; all we had to do to be successful, according to Pablo, was to distribute news stories from far-away countries (…).

Noch im selben Jahr gründeten Savio und Piacentini den „Roman Press Service“ (RPS). Die Nachrichtenagentur nahm bereits die Kernidee von IPS vorweg: Ausgewählte Journalisten aus lateinamerikanischen Ländern schickten ihre Artikel per Post; Savio und Piacentini redigierten, übersetzten und verbreiteten die Beiträge an potenzielle Abnehmer. Einnahmen tröpfelten zunächst nur spärlich herein, wie Savio (2012a: 31) berichtet:

When newspapers published the stories we sent, they paid us after about three months. We kept 50 per cent of the fee and sent the remaining 50 per cent to the author, who could thus receive his or her payment four or five months later.

Emanzipation von der Christdemokratie

Die politischen Wurzeln von Roberto Savio liegen in der italienischen Christdemokratie. In der katholischen Volkspartei „Democrazia Cristiana“ war er für die Beziehungen zu Entwicklungsländern zuständig. Außerdem schrieb Savio für das Parteiorgan „Il Popolo“. 1965 wurde er internationaler Pressesprecher von Premierminister Aldo Morro.

Seine Kontakte zur deutschen Schwesterpartei CDU spielten bei der Gründung von IPS eine entscheidende Rolle. Savio sprach bei Peter Molt,dem damaligen Leiter der Politischen Akademie Eichholz vor. Es gelang ihm, Molt von der Notwendigkeit einer neuen Presseagentur zu überzeugen, die das Wissen über Lateinamerika in Europa vertiefen sollte. Dieses Vorhaben entsprach damals ganz der christdemokratischen Linie, den kommunistischen und sozialistischen Internationalen eine Alternative entgegenzusetzen.

Im Februar 1964 fand die Gründungskonferenz von IPS in Eichholz mit etwa 40 Teilnehmern statt. Bei der Konferenz wurden die Arbeitsprinzipien der Agentur festgelegt, die in ihrer grundlegenden Ausrichtung bis heute ihre Gültigkeit bewahrt haben. So wurde in Eichholz beschlossen, die Agentur als nicht gewinnorientierte Genossenschaft aufzubauen. Des Weiteren wurde entschieden, dass im Einklang mit dem Ziel „giving a voice to the voiceless“ Journalisten aus ihren Heimatländern berichten sollten. Im Gründungsstatus wurde außerdem festgelegt, dass zwei Drittel der Mitglieder aus dem Süden stammen mussten (Savio 2012c).

Im Rahmen der Gründungskonferenz traten allerdings politische Begehrlichkeiten ans Tageslicht – IPS sollte fest in der Christdemokratie verankert werden. Diese Vereinnahmungsversuche stießen bei Savio (2012a: 33) auf Ablehnung:

My project, on the contrary, was to create a professional agency that would give a voice to democratic processes in Third World countries – to all of them, not only those of Christian Democrats.

In der Kampfabstimmung setzten sich Roberto Savio und seine Mitstreiter durch. Für den frisch gewählten Generaldirektor Savio (2012a: 34) war der Abstimmungserfolg aber ein Pyrrhussieg:

Democrazia Cristiana wished us good luck with our project and our independence, but made it clear that Christian Democratic parties would never buy our press services again, nor would they offer any support.

Am 14. April 1964 wurde IPS als journalistische Genossenschaft bei einem römischen Notar eingetragen (Salamanca Orrego 1993). Die finanzielle Situation gestaltete sich nach dem Rückzug der Christdemokraten zunächst schwierig: Der Kassenstand verzeichnete ein Minus von umgerechnet 4.000 Euro. Savio musste in die Privatschatulle greifen: Seine Eltern hatten auf ihr Haus eine Hypothek aufgenommen, um ihm den Kauf einer Wohnung und die Heirat mit seiner Verlobten zu ermöglichen. Das junge Paar verzichtete auf das Eigenheim – das Geld floss stattdessen in den Aufbau der Nachrichtenagentur (Savio 2012a).

Auf dem Weg zum Telekommunikationsanbieter

Auch ohne offizielle Unterstützung nutzte Roberto Savio weiterhin seine Kontakte zur internationalen Christdemokratie für den Aufbau der Agentur. Zum wichtigsten Wegbegleiter der ersten Stunde wurde Eduardo Frei Montalva, mit dem sich Savio während dessen Italien-Aufenthalt im Jahr 1963 angefreundet hatte. Frei, der damals als wenig aussichtsreicher Kandidat der chilenischen Christdemokraten galt, suchte in Rom die Unterstützung der „Democrazia Cristiana“. Laut Savio (2012a) war das Interesse in der Partei an dem vermeintlich hoffnungslosen Herausforderer gering; er selbst hingegen war von dessen Erfolg überzeugt. Als Dank für seine Hilfestellungen gab Frei Savio das Versprechen, das Wachstum von IPS zu unterstützen, sollte er Präsident werden.

Am 4. September 1964 gewann Frei die chilenische Präsidentschaftswahl mit absoluter Mehrheit. Noch in der Nacht des Triumphes erinnerte ihn Savio an das Versprechen, verwies aber gleichzeitig auf die politische Unabhängigkeit von IPS. Frei und Savio entschieden sich für einen Kompromiss: Die Agentur sollte einen Telekommunikationsdienst anbieten, der die rasche Übermittlung der diplomatischen Post zwischen dem chilenischen Außenministerium und seinen Botschaften ermöglichte.

Savio gelang es in der Folge, ein effektives Teleprinter-System zwischen Lateinamerika, Europa und den USA auf die Beine zustellen. Das Angebot war Mitbewerbern wie dem US-Unternehmen „Press Wireless“ und dem möglichen Alternativsystem Telex in preislicher Hinsicht deutlich überlegen. IPS erhielt von der Regierung Frei einen gut dotierten Vertrag in Höhe von 60.000 US-Dollar pro Jahr. Die erste Übertragung über das Teleprinter-System fand nach Angaben von Savio (2012a) am 15. Mai 1965 statt. Pro Minute konnten 50 Wörter übermittelt werden.

Mit der chilenischen Referenz gelang es der nun zum Telekommunikationsdienstleister erweiterten Nachrichtenagentur, ähnliche Vereinbarungen mit Argentinien, Peru, Kolumbien und Venezuela abzuschließen. Der Aufbau des Teleprinter-Netzes hatte noch einen weiteren Vorteil: Die redaktionellen Beiträge konnten zwischen den IPS-Büros rasch übermittelt werden.

Zu Beginn des Jahres 1966 sollen sich neben den Standorten in Lateinamerika und Europa auch bereits IPS-Vertretungen in Nordamerika, Asien und Afrika befunden haben (Savio 2012a). Daniel Federico Salamanca Orrego (1993) weist jedoch darauf hin, dass es in den ersten 15 Jahren der IPS-Geschichte keine Niederlassungen in Asien gab. Außerdem führt er an, dass in Afrika nur ein einziger Journalist für die Nachrichtenagentur tätig war. Dessen Engagement in Sambias Hauptstadt Lusaka soll obendrein von nur kurzer Dauer gewesen sein.

Die Telekommunikationsdienste für lateinamerikanische Regierungen erwiesen sich zu dieser Zeit als Haupteinnahmequelle für IPS: Nach einem von Salamanca Orrego (1993) erwähnten Geschäftsbericht aus dem Jahr 1969 beliefen sich die Einnahmen der Agentur auf 423.292 US-Dollar. Davon wurden lediglich 23.742 US-Dollar oder 5,6 Prozent mit journalistischen Diensten erwirtschaftet.

NWICO-Debatte sorgt für Aufschwung

Mit dem Einsetzen der Diskussionen um die Neue Weltinformations- und Kommunikationsordnung (NWICO) in den frühen 1970er Jahren gewann IPS schlagartig an Einfluss und Bedeutung. Vor allem die Blockfreien Staaten beschwerten sich über die Unausgeglichenheit des globalen Nachrichtenflusses, der hauptsächlich entlang der Achsen von Westen nach Osten und von Norden nach Süden verlief. Somit waren die großen westlichen Nachrichtenagenturen in der Lage, sowohl die Verlaufsrichtung von Informationen als auch deren Inhalt zu kontrollieren.

Als Reaktion auf dieses Ungleichgewicht wurde Ende 1974 der „Non-Aligned News Agencies Pool“ (NANAP) aus der Taufe gehoben, der im darauffolgenden Januar seine Arbeit aufnahm. Der Pool umfasste vor allem staatliche Nachrichtenagenturen aus Afrika und Südasien, zum Koordinator wurde die jugoslawische Nachrichtenagentur TANJUG bestimmt. Da die TANJUG allerdings über kein Telekommunikationsnetz in Lateinamerika und der Karibik verfügte, wurde die Aufgabe der Nachrichtenübermittlung aus diesen Regionen an IPS übertragen (Salamanca Orrego 1993).

Die NANAP-Forderungen zur Beseitigung der westlichen Dominanz der internationalen Kommunikation gelangten 1976 auf UN-Ebene. Nun sprach sich auch die UNESCO für die Schaffung einer Neuen Weltinformationsordnung aus. 1977 setzte der senegalesische UNESCO-Generaldirektor Amadou-Mahtar M’Bow eine Expertenkommission unter dem Vorsitz des irischen Friedensnobelpreisträgers Seán MacBride ein, die drei Jahre später in ihrem Bericht „Many Voices, One World“ eine Reihe von Vorschlägen zur Behebung der Missstände unterbreitete. Eines der 16 Kommissionsmitglieder war der Chilene Juan Somavía, der spätere Generaldirektor der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Zwischen 1976 und 1982 war Somavía Mitglied des IPS-Direktoriums. Dadurch gelang es der Nachrichtenagentur, ihre Ansichten in die Diskussion miteinfließen zu lassen (Savio 2012a).

Durch die guten Beziehungen glückte IPS im Umfeld der NWICO-Debatte eine Neupositionierung als „Stimme der Dritten Welt“. Viele Staaten in Afrika und Asien begannen mit dem Aufbau von nationalen Nachrichtenagenturen – IPS konnte Unterstützung und Erfahrungen anbieten und gleichzeitig Kunden für seinen Telekommunikationsdienst gewinnen. Die Erschließung neuer Märkte war auch dringend notwendig geworden: In den meisten lateinamerikanischen Ländern hatten in der Zwischenzeit Militärdiktatoren die Macht übernommen und die Carrier-Dienste von IPS aufgekündigt. An ihre Stelle traten nun vor allem arabische Nachrichtenagenturen. Roberto Savio (2012a: 47) beschreibt dieVereinbarungen mit den neuen Auftraggebern:

The deal was that we would distribute their newsletters through our network to our client newspapers. We translated their stories and distributed them for a fee that was much lower than the cost they would have incurred with direct distribution. Nearly all the Arab agencies signed agreements of this kind, and this acitivity became an important source of revenue for us.

Auch die Kooperation mit der UNESCO konnte in den Jahren von 1976–1980 deutlich intensiviert werden. Ebenso gelang es der Agentur, Telekommunikationsverträge mit UN-Institutionen wie UNDP, UNEP, FAO und IFAD abzuschließen. Mit weiteren UN-Einrichtungen wurde auf Projektbasis zusammengearbeitet. Durch diese Kooperationen gewann IPS an internationaler Wertschätzung, die sie erfolgreich für die Expansion nutzen konnte: 1979 eröffnete die Nachrichtenagentur Büros in Indien und Sri Lanka – laut Salamanca Orrego (1993) die ersten Standorte in Asien.

Wie sich der Aufschwung in finanzieller Hinsicht darstellte, ist schwer zu sagen. Salamanca Orrego (1993) erwähnt eine Budgetplanung für 1981, in der ein Umsatzziel von 5,2 Millionen US-Dollar anvisiert wurde. Ob dieses Ziel erreicht wurde, ist nicht bekannt.

Das Nachrichtenoligopol schlägt zurück

Bereits die Gründung von IPS war von internationalen Medien argwöhnisch beobachtet worden. Vor allem die Beschäftigung von Journalisten in ihren Heimatländern stieß auf Ablehnung. Savio (2012b) erinnert sich an eine öffentliche Auseinandersetzung mit dem Direktor von „Le Monde“, der in Abrede stellte, dass es damals in Afrika professionelle Journalisten gab (Savio 2012b). Ähnlich abschätzig äußerte sich Michel Saint Pol (zit. nach Savio 2012a: 35f.), Außenpolitikredakteur der französischen Nachrichtenagentur AFP:

What is true in Paris is also true in Timbuktu. Therefore, a French journalist can write from Timbuktu without any problem: actually, he will write better than an African journalist. So the idea of IPS is anti-professional, and it can only be explained if you intend to create a propaganda agency for the awful governments of the Third World.

Nachdem das Teleprinter-System von IPS mehr und mehr Kundenzuspruch erfahren hatte, trat die Konkurrenz auf den Plan. Die spanische Nachrichtenagentur EFE kontaktierte die IPS-Kunden und bot dieselben Leistungen zu Kampfpreisen an. Durch diese Intervention gingen IPS einige Auftraggeber verloren. Fazit von Roberto Savio (2012a: 42):

The whole system closed its ranks, keeping the newcomer at a distance.

Den für seinen Fortbestand bedrohlichsten Konflikt musste IPS aber zu Beginn der 1980er Jahre bewältigen. Am 29. Juni 1981 hatte der „Washington Star“ einen Artikel veröffentlicht, der die Geschäftsbeziehungen der Nachrichtenagentur zu UN-Organisationen in Frage stellte. Vor allem ein geplantes Millionenprojekt von IPS und der UNDP stand dabei im Kreuzfeuer der Kritik: Die beabsichtigte Errichtung eines Informationsnetzwerkes (DEVNET) hatte einen Auftragswert von 20 Millionen US-Dollar (Savio 2012a). Ziel von DEVNET war die Vernetzung von Universitäten, Forschungsinstituten, Unternehmen und Regierungsstellen aus 60 Ländern in Afrika, Asien und Lateinamerika. Bereits 1979 hatte IPS von der UNDP den Zuschlag für eine Machbarkeitsstudie erhalten. Gegen Jahresende 1981 sollte der endgültige Vertrag unterzeichnet werden (Salamanca Orrego 1993).

In dem Artikel des „Washington Star“ wurde IPS als antiwestliche Einrichtung angefeindet, die Guerilla-Bewegungen in Lateinamerika und Asien unterstütze. „Associated Press“ (AP) verbreitete die Geschichte noch am gleichen Tag rund um den Erdball. Die Folgen waren desaströs: Das DEVNET-Projekt wurde vorerst auf Eis gelegt, die Regierung Mexikos stoppte einen Auftrag im Gegenwert von 800.000 US-Dollar, Nachrichtenagenturen und Zeitungen stornierten ihre Abos. Laut Salamanca Orrego (1993) betrug der unmittelbare Schaden eine Million US-Dollar. Das Gesamtbudget der Agentur sank 1983 auf ein Niveau von 4,7 Millionen US-Dollar.

Für internationale Beobachter war klar, dass die ökonomischen Interessen der USA das Hauptmotiv für die Angriffe waren. Roberto Savio vermutet aber vielmehr eine Retourkutsche des damaligen AP-Vizepräsidenten Stanley Swinton, der als einer der Hauptgegner der NWICO galt. Im Rahmen einer UN-Diskussion mit Swinton hatte Savio die Oberhand behalten und das Publikum von seinen Argumenten überzeugen können. Swinton wollte das nicht auf sich sitzen lassen, schreibt Savio (2012a: 61):

Later I learned that Swinton was quite furious after that experience, and that he had ordered all AP offices to launch an investigation on IPS in all countries.

Doch IPS gelang es, sich gegen den vermeintlich übermächtigen Gegner zur Wehr zu setzen. Einer der bis heute bekanntesten IPS-Journalisten, Jim Lobe, kam in den Besitz eines vertraulichen Schriftstücks des US State Departments. Darin wurden die amerikanischen Botschaften aufgefordert, alle möglichen Maßnahmen zur Schließung von IPS zu ergreifen. Als Begründung wurde angeführt, dass es sich bei der Nachrichtenagentur um einen Feind der Vereinigten Staaten handelte (Savio 2012a).

Im Februar 1982 gelang es Jim Lobe und Roberto Savio, die Autoren des Memos davon zu überzeugen, dass eine Verurteilung „in absentia“ der US-Verfassung widerspreche. Savio schlug eine unabhängige Untersuchung vor. Seine einzige Bedingung dabei war, dass Stanley Swinton den Experten vorschlagen sollte. Die Wahl fiel auf den aus Südafrika stammenden Kommunikationswissenschaftler Anthony Giffard von der „University of Washington“ in Seattle (Savio 2012a). Am 25. August 1982 brach Giffard zu einer mehrmonatigen Forschungsreise zu den verschiedenen IPS-Standorten auf. In seiner Studie konnte er keine tendenzielle Berichterstattung feststellen. Ganz im Gegenteil: Er betonte, dass IPS eine notwendige Ergänzung auf dem Nachrichtenmarkt darstelle (Salamanca Orrego 1993).

Der Einspruch hatte Erfolg. Die US-Regierung gab ihren Widerstand gegen IPS und DEVNET auf. Um weitere Verstimmungen zu vermeiden, benannte die UNDP das Projekt kurzerhand in „Technological Information Pilot System“ (TIPS) um. Das Budget wurde auf zwei Millionen US-Dollar reduziert. 1983 wurde IPS mit der Implementierung des Projekts beauftragt. Mit einer Auflage: Für die Durchführung von TIPS musste eine eigene NGO ins Leben gerufen werden. 1985 gründete Roberto Savio die neue Organisation in Rom. Ihr bis heute gültiger Name: DEVNET.

Afrika und die Zukunft

Nach den stürmischen Ereignissen konnte IPS seine Expansion zunächst ungehindert vorantreiben: Regionalzentren wurden in Lateinamerika, Asien und Afrika errichtet, später folgten Europa und Nordamerika.

In Afrika war bereits seit 1983 intensiv am Aufbau eines eigenen Netzes gearbeitet worden. Nach mehreren fehlgeschlagenen Versuchen in Nigeria und im Senegal wurde 1986 die Afrika-Zentrale in Harare eröffnet (Salamanca Orrego 1993). Die Entwicklung des afrikanischen Nachrichtennetzes genoss bei IPS höchste Priorität. Das wurde auch nach Savios Rückzug als Generaldirektor deutlich: Die Direktorin der Afrika-Zentrale, die simbabwische Journalistin Patricia A. Made, trat in die Fußstapfen des IPS-Gründers und übernahm in den Jahren 2000 bis 2002 die Gesamtleitung der Nachrichtenagentur.

Nachdem sich Simbabwe nach der manipulierten Präsidentschaftswahl 2002 zunehmend ins internationale Aus manövriert hatte, verlegte IPS den Sitz der Afrika-Zentrale nach Johannesburg. Aus der südafrikanischen Metropole werden heute mehr als 150 Mitarbeiter in 43 Staaten koordiniert (IPS 2011).

Zurück in die 1980er Jahre: Um 1985 war IPS mit Büros in ca. 60 Ländern vertreten (Giffard 1998). Mit dem Zusammenbruch des Ostblocks verschlechterte sich die Situation aber rapide. Für Oliver Boyd-Barrett und Terhi Rantanen (1998) lag der Hauptgrund für den Abwärtstrend darin, dass Entwicklungshilfegelder nach Osteuropa abwanderten. IPS war davon in zweierlei Hinsicht betroffen: Einerseits waren schlagartig weniger Mittel für die Durchführung von Projekten verfügbar. Andererseits hatte die Agentur darunter zu leiden, dass NGOs als wichtiger Abnehmerkreis selbst mit Budgeteinschnitten zu kämpfen hatten. Darüber hinaus hatten die einst populären Telekommunikationsleistungen von IPS durch den Einzug neuerer Technologien nach und nach an Bedeutung eingebüßt.

Anhand eines Budgetvergleichs macht Giffard (1998) den finanziellen Niedergang deutlich: Waren IPS im Jahr 1992 noch 15 Millionen US-Dollar zur Verfügung gestanden, sank der Jahreshaushalt bis zum Jahr 1997 auf 5,8 Millionen US-Dollar. Schwer zu verkraften war dabei der Verlust eines großen Geldgebers: 1992 hatte sich die öffentliche Lotteriegesellschaft der Niederlande zu einer jährlichen Förderung mit drei Millionen US-Dollar entschlossen, um den Ausbau des europäischen IPS-Netzes zu unterstützen. Unstimmigkeiten zwischen der Gesellschaft und dem IPS-Management in Rom führten aber bald zur Beendigung der Zusammenarbeit (Giffard 1998).

2012 betrug das Budget der Agentur nach Angaben des damaligen Generaldirektors Mario Lubetkin (2012) ca. sechs Millionen Euro. „Peanuts“, wie Lubetkin im Telefoninterview erklärte. Die Finanzierung erfolgte zu je 40 Prozent durch Gebernationen – für 2011 nannte Lubetkin Spanien, Norwegen und Finnland als wichtigste Unterstützer – und aus gemeinsamen Projekten mit UN-Organisationen wie z. B. UNDP, UNIFEM oder UNICEF. Die restlichen 20 Prozent wurden am Nachrichtenmarkt erwirtschaftet.

Trotz eingeschränkter finanzieller Ressourcen war die Nachrichtenagentur für Lubetkin (2012) besser aufgestellt denn je: Die Qualität der Beiträge habe sich entscheidend verbessert, das Internet eine deutlich höhere Reichweite ermöglicht. Die Websites verzeichneten pro Monat 1,5 Millionen Besucher bzw. 50 Millionen Seitenaufrufe, außerdem wurden die Inhalte auf Social-Media-Kanälen wie Facebook oder Twitter verbreitet. Auch Partnerschaften mit „Thomson Reuters“, „The Guardian“ oder „The Huffington Post“ hätten IPS eine noch nie dagewesene Bedeutung verliehen (IPS 2011).

Dennoch war dem IPS-Generaldirektor bewusst, dass die Zeiten für das klassische Business-Modell von Nachrichtenagenturen vorbei sind: Mario Lubetkin (2012) wollte deshalb IPS von einer Nachrichtenagentur zu einer Multimedia-Plattform weiterentwickeln: der Fotodienst sollte verstärkt und Social-Media-Aktivitäten ausgebaut werden. Außerdem sollte ein eigenes TV-Angebot etabliert werden: Die erste Sendung von „IPS Televison“ wurde am 22. Oktober 2013 ausgestrahlt – zwei Monate später wurde das Service allerdings wieder eingestellt.

Gleichzeitig richtete die Agentur ihren Blick noch stärker als bisher auf Schwellenländer. Fragen zu den globalen Finanzmärkten, zur Weltwirtschaft oder zur Umwelt könnten laut Lubetkin nicht ohne die Teilnahme von „Emerging Countries“ gelöst werden. Daher sei es wichtig, die Sichtweisen neuer Global Player wie China oder Indien zu transportieren. Länder wie Brasilien, Katar, Saudi Arabien oder Südafrika unterstützen heute die Arbeit von IPS . Lubetkin (zit. nach Lubetkin u. Piacentini 2012: 409) betrachtete es als große Herausforderung für die Agentur, die Interessen des Publikums in diesen Ländern zu erfüllen:

(…) let’s think about integration processes in Africa, Asia or Latin America, three increasingly important regions. People in those regions want to read a little bit less about Europe, the United States and Japan, and a little more about the integration processes in their countries. And the reason is that today, they know this has to do with their own direct interests. It is simple: to a great extent due to technological changes, those media are not up to the current challenges and the resulting information needs of their audiences run the risk of disappearing.

Für die Erreichung dieser Ziele spielen strategische Partnerschaften eine bedeutende Rolle. 2006 hat IPS begonnen, mit ›Al Jazeera‹ über eine Zusammenarbeit zu verhandeln. Heute kooperiert das TV-Imperium in Doha mit der kleinen Nachrichtenagentur bei Projekten zu globalen Fragen wie Klimawandel und Migration. Beide Seiten hätten laut Lubetkin (zit. nach Lubetkin u. Piacentini 2012: 407) erkannt, dass die Bündelung von Kräften notwendig ist:

(…) as we have discussed with our colleagues in that Arab network, with which we have an active cooperation agreement, it is necessary to join forces to create a big pool of media from the South that helps to balance the international information system.

Résumé: Das IPS-Modell macht Schule

Der von IPS seit 50 Jahren praktizierte Perspektivenwechsel gilt heute als wegweisendes Modell für den Auslandsjournalismus. Vor allem aus ökonomischen Gründen konnte in den letzten Jahren ein starke Tendenz zur Beschäftigung von lokalen Mitarbeitern – den sogenannten „New Foreign Correspondents“ – beobachtet werden. In den frühen 1990er-Jahren waren noch 63 Prozent der Journalisten, die aus dem Ausland für US-Medien berichteten, amerikanische Staatsbürger. Zehn Jahre später hatte sich dieser Wert auf 31 halbiert (Bunce 2011).

Auch die großen Nachrichtenagenturen setzen vermehrt auf das Potenzial lokaler Journalisten: Bereits 2009 hatten 13 der 16 Mitarbeiter des Ostafrika-Netzwerkes von Reuters die Staatsbürgerschaft eines afrikanischen Landes. Ähnlich war die Situation bei der französischen AFP: Hier stammten 11 der 13 für Ostafrika zuständigen Journalisten aus den Ländern der Region (Bunce 2011).

Der Mediengigant „Al Jazeera“ aus Katar setzt ebenfalls auf eine Strategie mit lokalen Korrespondenten. Mit Erfolg. Am Beispiel des Irak-Krieges beschreibt der deutsche Nahost-Experte Michael Lüders (2011: 122) die unterschiedlichen Zugänge von westlichen Medien und „Al Jazeera“:

Westliche Journalisten berichteten über den Irakkrieg vielfach als „eingebettete Journalisten“, die US- oder britische Soldaten bei Kampfeinsätzen begleiteten. Die Journalisten von Al-Jazeera dagegen nehmen die Perspektive der Zivilbevölkerung ein und zeigten die Opfer des Krieges, die in der westlichen Berichterstattung weitgehend ausgespart blieben. Genau diese Perspektive, die „von unten“, trifft den Nerv arabischer Zuschauer und machte den Sender zum Meinungsführer in der arabischen Welt. Er hat Korrespondenten an Orten, die westliche Journalisten in der Regel meiden, darunter Gaza-Stadt und Mogadischu, und selbst noch in der tiefsten Provinz.

Update 31. Mai 2017

Mit 31. Jänner 2014 verließ Mario Luetkin IPS und wurde Kommunikationsdirektor der FAO. Der österreichische Diplomat Walther Lichem, stellvertretender Vorsitzender des IPS Vorstands, übernahm interimistisch die Leitung. Mit 1. April 2014 wurde Ramesh Jaura zum neuen Generaldirektor bestellt. Jaura war seit 1987 Geschäftsführer von IPS Deutschland, das per 31. 12. 2015 den Dienst einstellte.

Seit 1. September 2015 ist die erfahrene Kommunikationsspezialistin Farhana Haque Rahman, die in mehreren UN-Organisationen tätig war, Generaldirektorin von IPS.

IPS-Mitgründer Pablo Piacentini verstarb im März 2017 an den Folgen einer Krebserkrankung.

Literatur

Die Darstellung der IPS-Geschichte stammt weitgehend aus meinem Buch Afrika! Plädoyer für eine differenzierte Berichterstattung (UVK 2013). Folgende Quellen wurden darin verwendet:

Boyd-Barrett, Oliver; Rantanen, Terhi (1998): Defining News: Contestation and Construction. In: Boyd-Barrett, Oliver; Rantanen, Terhi (Hrsg.): The Globalization of News. Sage, London/Thousand Oaks/New Delhi, S. 173–176.
Bunce, Mel (2011): The new foreign correspondent at work: Local-national »stringers« and the global news coverage of conflict in Darfur. Reuters Institute for the Study of Journalism, Oxford University.
Giffard, C. Anthony (1998): Alternative News Agencies. In: Boyd-Barrett, Oliver; Rantanen, Terhi (Hrsg.): The Gobalization of News. Sage, London/ThousandOaks/New Dehli, S. 191–201.
IPS (2011): Communication for Global Change. Annual Report 2010. Rom.
IPS (2012): What people say. http://www.ips.org/institutional/get-to-know-us-2/what-people-say/ (27. März 2012).
Lubetkin, Mario (2012): Telefoninterview durch Martin Sturmer, 2. April 2012.
Lubetkin, Mario; Piacentini, Pablo (2012): Dialogue between Past and Present – 50 years in the life of IPS. In: Savio, Roberto (Hrsg.): The Journalists Who Turned The World Upside Down. Amazon, Leipzig, S. 403–423.
Lüders, Michael (2011): Tage des Zorns. Die arabische Revolution verändert die Welt. C.H. Beck, München.
Salamanca Orrego, Daniel Federico (1993): Medienpolitik für die Dritte Welt: Inter Press Service. Geschichte und Struktur einer Dritte-Welt-Nachrichtenagentur. Peter Lang, Frankfurt am Main.
Savio, Roberto (2012a): 50 Years of another information – Living the New International Information Order. In: Ders. (Hrsg.): The Journalists Who Turned The World Upside Down. Voices of Another Information. Amazon, Leipzig, S. 25–73.
Savio, Roberto (2012b): E-Mail an Martin Sturmer, 27. März 2012.
Savio, Roberto (2012c): E-Mail an Martin Sturmer, 28. März 2012.