Nur einen Steinwurf vom Techno-Z in Salzburg-Itzling entfernt befindet sich die Otto-Nußbaumer-Straße. Das Verbindungsstück zwischen Landsturmstraße und Theodebertstraße ist zwar nur 210 Meter lang, aber einem großen Salzburger Techniker gewidmet: Otto Nußbaumer gelang als erstem die drahtlose Übertragung von Sprache und Musik. Das Experiment gilt heute als erste Radiosendung der Geschichte.
„Hoch vom Dachstein an, wo der Aar noch haust“. Am 15. Juli 1904 sang Otto Nußbaumer (1976-1930) an der Technischen Hochschule in Graz das „Dachstein-Lied“ in seine selbst entwickelte Radioanlage – dem sogenannten „Nußbaumer-Tisch“. Damit schaffte der Konstrukteur an der Lehrkanzel für Physik eine epochale Leistung: Es war die erste drahtlose Übertragung von Sprache und Musik, auch wenn die Reichweite nur ca. 30 Meter betrug.
Die zwielichtige Rolle des Professors
Sein Professor, Albert von Ettingshausen, zeigte sich von der Leistung laut New York Times wenig beeindruckt: „Ihre Kiste funktioniert, aber Ihr Gesang ist fürchterlich.“ Auch Nußbaumer (zit. nach Venus et al. 1990: S. 42) berurteilte sein Radio-Experiment selbstkritisch:
Die Töne kamen ohne Nebengeräusch, überaus rein zu Gehör. Ein- und zweistimmige Gesänge, Trompeten und andere musikalische Instrumente wurden übertragen. Sie hörten sich vollständig rein und naturgetreu an: Ja, es war sogar möglich, die Stimme der Sänger in Klangfarbe zu erkennen. Die Übermittlung der Sprache war allerdings nicht einwandfrei und für den praktischen Gebrauch ungenügend …
Von Ettingshausen soll mitverantwortlich dafür gewesen sein, dass Nußbaumer ein typisch österreichisches Erfinderschicksal erlitt. Das Austria-Forum schreibt, er hätte Nußbaumer nicht die notwendige Rückendeckung gewährt, um die Innovation voranzutreiben.
Keine Subvention für Spielereien
Nußbaumer hatte zuvor Ettingshausen gebeten, einen Subventionsantrag von 20.000 bis 30.000 Kronen beim Unterrichtsminsterium einzureichen. Der Nußbaumer-Biograf Theodor Venus erwähnt den christlichsozialen Nationalrat Richard Wollek, dass aber weder Ettingshausen noch das Rektorat in der Lage gewesen wären, sich mit Nußbaumers „Spielereien“ (zit. nach ebda., S. 45) zu befassen und den Antrag einzubringen.
Nußbaumer verließ im Herbst 1907 die Technische Hochschule. Als Gründe für sein Ausscheiden werden vor allem materielle Gründe vermutet. Ein Jahr später übersiedelt er mit seiner Frau Berta und der einjährigen Tochter Berta Agnes nach Salzburg.
Im Oktober 1908 begann er seine Tätigkeit als Dampfkesselprüfungskommissär im Baudepartement der Salzburger Landesregierung. Zu seinen Tätigkeiten zählte dabei u. a. die technische Prüfung von Automobilen und die Erteilung von Lenkerberechtigungen (vgl. ebda, S. 52-57). „Über eine Arbeitsüberlastung konnte sich Nußbaumer in dieser Funktion sicher nicht beklagen“, heißt es in Nussbauer-Biografie (ebda., S. 57). Denn im Jahr 2010 waren in Stadt und Land Salzburg lediglich 26 Autos und 74 Motorräder gemeldet.
Späte Anerkennung
Für seine Pionierleistung wurde Nußbaumer erst Jahre später ausreichend gewürdigt. Zum 25. Jahrestag von Nußbaumers Übertragung erinnerte die Grazer Hochschule an das historische Experiment in einer Festveranstaltung. Dabei wiederholte Dozent Robert Ettenreich die Versuchsanordnung mit der Nußbaumer-Apparatur. Ettenreich schloss seine Demonstration mit den Worten (zit. nach ebda., S. 68):
Wenn auch Nußbaumers Versuche damals keine weiter begeisterte Aufnahme fanden …, wenn auch erst das amerikanische Broadcasting nach dem Kriege zu unterhörten Aufschwunge kam, so ist doch Nußbaumer der erste gewesen, der den Weg gezeigt hat.
Nußbaumer selbst konnte dem Festakt wegen eines schweren Lungenleidens nicht mehr beiwohnen. Die RAVAG übertrug aber die Feier und verhalf dem Radiopionier damit zu spätem Ruhm. Über diesen konnte er sich allerdings nicht mehr lange freuen. Am 5. Jänner 1930 verstarb Otto Nußbaumer im 54. Lebensjahr an einer eitrigen Bronchitis, verbunden mit einsetzender Herzschwäche (vgl. ebda., S. 74-79).
Im Jahr 1932 ehrte die Stadt Salzburg den Radiopionier mit einer Straßenbenennung. Warum die Wahl dabei ausgerechnet auf Itzling fiel, bleibt ein Rätsel: Nußbaumer selbst hatte als Wohnadresse das Andräviertel bevorzugt. Er lebte zunächst in der Haydnstraße 5, während des 1. Weltkriegs ist er in der Hubert-Sattler-Gasse 5 umgezogen (vgl. ebda, S. 53 u. 62).
Literatur
Venus, Theodor; Waitzbauer, Harald; Schweinöster, Christine (1990): Otto Nußbaumer: Der Salzburger Radiopionier. Schriftenreihe des Landespressebüros, Salzburg.