In der Markenführung spielt die Inszenierung eine entscheidende Rolle. Das geschieht in erster Linie über die Geschichte, die wir über uns erzählen. Die Heldenreise bietet eine ausgezeichnete Vorlage für das Storytelling. Der Erfolgsweg des Schokoladenherstellers Josef Zotter ist dafür ein Paradebeispiel.
Das Grundmuster der Heldenreise hat der US-amerikanische Mythenforscher Joseph Campbell (1904-1987) anhand von Erzählungen aus der Antike erforscht. Wer sich näher damit befassen möchte, dem sei Campbells Klassiker „The Hero with a Thousand Faces“ (Buch bei amazon.de) ans Herz gelegt.
Später hat der Drehbuchautor Christopher Vogler in seinem Buch „The Writer’s Journey“ (amazon.de) die 17 Stufen bei Campbell auf zwölf reduziert und damit eine höchst erfolgreiche Vorlage für Hollywood-Blockbuster wie „Stars Wars“ oder „Pretty Woman“ geschaffen.
Holpriger Weg zum Erfolg
Die Heldenreise bietet aber auch für Unternehmen wertvolle Anhaltspunkte, wie eine wirkungsvolle Story erzählt werden kann. In meinem Buch „Profilierung“ (amazon.de) stelle ich die Geschichte des Schokoladenherstellers Josef Zotter vor, die als eindrucksvolles Musterbeispiel für die Heldenreise dienen kann.
Zotter zählt zu den besten Chocolatiers der Welt, den Produktionsstandort in Bergl bei Riegersburg besuchen jährlich an die 250.000 Menschen. Heute bietet er über 400 unterschiedliche Schokoladen an, darunter außergewöhnliche Kreationen wie „Rosa Kokos mit Fischgummi“ oder „Messwein und Weihrauch“.
Zotters Weg zum Erfolg war aber alles andere als eben, wie die Stadien seiner Heldenreise belegen. Die Angaben stammen dabei weitgehend aus seiner Biografie „Kopfstand mit Fischen“ (amazon.de).
Die zwölf Stadien von Zotters Heldenreise
# | Stadium | Beispiel Josef Zotter |
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1 | Die gewohnte Welt | Der gelernte Koch und Kellner Josef Zotter (geb. 1961) arbeitet als Koch und Küchenchef in verschiedenen Hotels der Luxusklasse. |
2 | Der Ruf zum Abenteuer | Mit 26 Jahren will Zotter aus der Spitzengastronomie weg. 1987 eröffnet er in der Grazer Glacisstraße sein erstes Kaffeehaus. |
3 | Die Verweigerung des Rufs | Zotter weigert sich, Kundenwünsche wie Cremeschnitten, Schaumrollen und Sachertorten zu erfüllen. Das Geschäft läuft schlecht, das Kaffeehaus ist sanierungsbedürftig. |
4 | Begegnung mit dem Mentor | Josef Zotter heiratet seine Freundin Ulrike. Sie wird in den Folgejahren zu seiner wichtigsten Beraterin. |
5 | Überschreiten der ersten Schwelle | Durch die Hochzeit kommt Zotter zu etwas Geld, das er in die Renovierung des Lokals investiert. Er absolviert die Meisterprüfung zum Konditor und experimentiert mit außergewöhnlichen Zutaten. Zotter steigt zum Nobelkonditor auf und erweitert sein Geschäft um drei Filialen. 1992 erfindet er durch Zufall die handgeschöpfte Schokolade. Er hat aber zu wenig liquide Mittel, um die Produktion auszubauen. |
6 | Bewährungsproben, Verbündete, Feinde | Zotter übernimmt sich finanziell. Der Direktor seiner Bank lässt ihn im Stich. Der befreundete Koch Willi Haider hilft ihm, ausständige Dienstnehmerbeiträge bei der Sozialversicherung zu bezahlen. |
7 | Vordringen in die tiefste Höhle | Zotter muss 1996 Insolvenz anmelden. Die drei Filialen werden geschlossen. Die Talsohle ist erreicht: „Am tiefsten Punkt meiner bisherigen Laufbahn keimte der Samen des Neuen“, schreibt Zotter in seinem Buch. |
8 | Entscheidungskampf | Nach der Sanierung läuft die Konditorei wieder. Die handgeschöpfte Schokolade gewinnt immer mehr Anhänger. Zotter stellt seine Frau Ulrike vor die Entscheidung: „Entweder die Schokolade oder die Konditorei“. |
9 | Belohnung und Ergreifen des Schwerts | Zotter setzt alles auf eine Karte: Er gibt die Konditorei auf und will nur noch Schokolade produzieren. |
10 | Rückweg | Um nicht erneut Schulden machen zu müssen, kehrt Zotter 1999 auf die Landwirtschaft seiner Eltern nach Bergl zurück. Im ehemaligen Kuhstall gründet er die Zotter Schokoladen Manufaktur. |
11 | Erneuerung/Verwandlung | Zotter schafft rasch den Durchbruch: Innerhalb weniger Jahr entsteht in Bergl ein stattliches Schokoladenimperium, das zum wichtigen Arbeitgeber in der Region wird. |
12 | Rückkehr mit dem Elixier | Zotter, der Andersdenker: Er setzt auf innovative Produkte, zertifizierte Bioqualität und Fairtrade. Als Chef und Unternehmer wird er zum Vorbild. Zotter wird an die „Havard Business School“ eingeladen. Als einziges österreichisches Unternehmen steht Zotter als Fallbeispiel auf dem Lehrplan der Eliteuniversität. |
Das Beispiel zeigt, dass der Erfolg eigentlich langweilig ist. Spannend ist vor allem der mit Hürden gespickte Weg ans Ziel. Das ist der Stoff, über die Menschen sprechen und Medien berichten.
Ich behaupte: Jeder kann seine eigene Heldenreise erzählen. Versuchen Sie es! Sie werden erstaunt sein, wie universell einsetzbar der dramaturgische Aufbau ist.
Titelbild: Ausschnitt aus dem Buchcover von „Kopfstand mit frischen Fischen“