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Was ist ein Corporate Newsroom?

Vor etwas mehr als acht Jahren haben Thomas Holzinger und ich unsere Newsroom-Strategie vorgestellt. Im Corporate Newsroom haben wir früh die richtige Antwort der Unternehmenskommunikation auf den Medienwandel erkannt. Das redaktionelle Organisationsmodell gewinnt immer mehr an Popularität.

Der Medienwandel hat die PR-Arbeit drastisch verändert: Journalisten haben ihre Gate-Keeper-Funktion weitgehend verloren, die Anzahl der Kommunikationskanäle ist explodiert, Shitstorms verlangen nach Bewältigungsstrategien in Echtzeit. Wie muss sich die Unternehmenskommunikation aufstellen, um den gewachsenen Anforderungen adäquat begegnen zu können? Die Antwort lautet: mit einem Corporate Newsroom.

Als Vorbild dient das Newsroom-Modell aus Medienhäusern, die sich durch Großraumredaktionen eine höhere Effizienz und bessere Qualität in der inhaltlichen Produktion erwarten. Die nachfolgende Abbildung der Bundeszentrale für politische Bildung zeigt eine idealtypische Organisation eines Newsrooms im Journalismus.

Crossmediales Arbeiten im Newsroom

Was sind nun aber die Wesenszüge eines Corporate Newsrooms? Christoph Moss, der mehrere Newsroom-Projekte im Kundenauftrag begleitet hat, definiert den Newsroom wie folgt (1):

Ein Newsroom ist eine räumlich zusammengefasste Steuerungseinheit für die Unternehmenskommunikation. Es existieren getrennte Verantwortlichkeiten für Themen und Kanäle. Die Koordination übernimmt ein Chef vom Dienst.

Aus dieser Definition leitet Moss eine vierteilige Aufbauorganisation ab, die sich in Strategieteam, Chef vom Dienst, Themendesk und Mediendesk unterscheidet. An der Spitze des Newsrooms steht dabei das Strategieteam, das über ein Weisungsrecht sowie ein finales Entscheidungsrecht in allen inhaltlichen Fragen verfügt.

Der Chef vom Dienst ist das Bindeglied zwischen Themendesk und Mediendesk und steuert deren Arbeit operativ. Der Themendesk besteht aus Mitarbeitern, die für die Produktion der Inhalte verantwortlich sind und als Verbindungsstellen zu den Fachabteilungen des Unternehmens fungieren. Der Mediendesk schließlich betreut die unterschiedlichen Medien und Kanäle des Unternehmens, wie z. B. die Corporate Website oder Social Media.

Im Video erklärt Christoph Moss die Funktionsprinzipien von Corporate Newsrooms:

Wie stark hat sich das Newsroom-Konzept bereits etablieren können? Mona Sadrowski hat in ihrer Master-Arbeit die Verbreitung von Newsrooms in Deutschlands größten Unternehmen und Banken untersucht. In ihrer Analyse unterscheidet sie fünf obligatorische Merkmale für einen Newsroom: (2)

Merkmale eines Newsrooms

MerkmalNewsroom-typische Ausprägung
Räumliche OrganisationGroßraumbüro
Ausrichtung der ZuständigkeitenNach Themen
UntereinheitenExistenz von eigenen Einheiten für Themen und Kanäle
RedaktionssitzungMehrmals pro Tag oder zumindest einmal pro Tag
TransparenzZumindest der Großteil der Mitarbeiter hat einen Überblick darüber, welche Themen derzeit von welchen Kollegen bearbeitet werden.

An der Online-Umfrage haben sich 74 Unternehmen beteiligt. Je nach Fortgeschrittenheit der Newsroom-Integration ordnet Sadrowski die Auswertung vier Typen zu:

Ein fortgeschrittene Newsroom-Integration liegt vor, wenn eine Abteilung für Unternehmenskommunikation vier bis fünf Merkmale erfüllt.  Drei Merkmale sind bei einer mäßig fortgeschrittenen Newsroom-Integration bzw. ein bis zwei bei einer geringen Newsroom-Integration vorhanden.

Die Untersuchung ergab, dass der Großteil der Unternehmen über nur eine geringe Newsroom-Integration verfügt. Eine Folgeuntersuchung von Guido Keel und Markus Niederhäuser bei 69 Unternehmen und Verwaltungen in der Schweiz kam zu ähnlichen Ergebnissen. (3)

Status der Newsroom-Integration

Erfüllte Merkmale
Deutschland
Schweiz
4-5
9,5%
14,5%
3
24,3%
18,8%
1-2
59,5%
60,9%
0
6,7%
5,8%

Diese Ergebnisse decken sich mit unseren Erfahrungen. Als Thomas Holzinger und ich Ende August 2010 unsere Newsroom-Strategie als Zukunftsmodell der PR vorstellten, waren Corporate Newsrooms völliges Neuland. In unserem Fachroman „Im Netz der Nachricht“ (4) haben wir den notwendigen Paradigmenwechsel in Form einer Newsroom-Strategie möglichst realitätsnah skizziert, stießen aber Unternehmen weitgehend auf Skepsis.

Heute setzt sich das Newsroom-Modell zunehmend durch – zahlreiche größere Unternehmen und Verbände arbeiten bereits mit diesen Organisationsmodell. Eine Sammlung von Newsrooms finden Sie auf meiner Scoop.it-Seite zum Thema.

Als Pionier gilt die Siemens AG, die ihren Corporate Newsroom im Februar 2012 in München lancierte. Die dreiteilige Blogserie von Marie-Christine Schindler bietet einen interessanten Blick hinter die Kulissen des Siemens-Newsrooms.

Literatur

(1) Moss, Christoph (2016): Themenorientierte Steuerung: Das Newsroom-Modell in der Unternehmenskommunikation. In: Moss, Christoph (Hrsg.): Der Newsroom in der Unternehmenskommunikation. Wie sich Themen steuern lassen. Springer VS, Wiesbaden, S. 35-57. (Erhältlich bei amazon.de)

(2) Sadrowski, Mona (2016): Die Verbreitung von Newsrooms in der Praxis: Eine empirische Untersuchung. In: Moss, Christoph (Hrsg.): Der Newsroom in der Unternehmenskommunikation. Wie sich Themen steuern lassen. Springer VS, Wiesbaden, S. 91-108. (Erhältlich bei amazon.de)

(3) Keel, Guido; Niederhäuser, Markus (2016): Corporate Newsrooms in der Schweiz. Ergebnisse einer Befragung von Schweizer Unternehmen und Verwaltungen. Departement Angewandte Linguistik, IAM Institut für Angewandte Medienwissenschaft, Winterthur. (PDF)

(4) Holzinger, Thomas; Sturmer, Martin (2012): Im Netz der Nachricht. Die Newsroom-Strategie als PR-Roman. Springer, Heidelberg. (Erhältlich bei amazon.de)

Titelbild: Jürg Vollmer / MaiakinfoEigenes Werk, CC BY-SA 3.0, Link