Er gilt als der erste Thought Leader der Geschichte: der US-Philosoph Ralph Waldo Emerson (1803-1882). Im zweiten Teil der Blog-Serie zu Ansätzen der Profilierung erläutere ich, was wir von Emerson über das Thema Thought Leadership lernen können.
Laut Denise Brosseau ist ein Thought Leader eine Person, die Mitmenschen mit innovativen Ideen bewegen und inspirieren kann. Durch seine stetig wachsende Zahl der Anhänger sorgt ein Thought Leader dafür, dass diese Ideen weiterentwickelt werden und letztendlich zu einem nachhaltigen Wandel führen. Thought Leaders verändern die Welt – zum Besseren.
Auf Deutsch lässt sich der Begriff Thought Leader wohl am besten als Vordenker oder Visionär übersetzen. Ralph Waldo Emerson war ein solcher Vordenker. „The Theist Annual of 1876“ schrieb, dass er die „wizard power of a thought-leader“ manifestiere. Soweit ich weiß, war das die erstmalige Erwähnung des Begriffs Thought Leader.
Emerson und der amerikanische Traum
Wer aber war nun Ralph Waldo Emerson? 1803 in Boston geboren, studierte er Theologie in Harvard und wurde im Anschluss unitarischer Pastor. Nach dem Tod seiner ersten Frau legte er 1832 sein geistliches Amt nieder und wandte sich von der traditionellen Theologie ab.
Nach einer ausgedehnten Europareise, auf der u. a. vom Deutschen Idealismus inspiriert wurde, kehrte Emerson 1835 nach Massachusetts zurück. 1836 gründete er einen Diskussionskreis von kritischen Dichtern, Philosophen, Lehrern und Pastoren, der von Außenstehenden als „Transcendental Club“ bezeichnet wurde.
Die Transzendentalisten traten für eine freiheitliche und selbstverantwortliche Lebensführung im Einklang mit der Natur ein. Von ihnen gingen wesentliche Impulse für die Befreiung der Sklaven, die Entstehung der Frauenbewegung und der Naturschutzbewegung aus.
Wesentliche Einflüsse des Transzendentalismus stammten neben dem Deutschen Idealismus aus der Mystik, der englischen Romantik und indischen Philosophien. In einer Art euphorischer Aufbruchstimmung rückte das „Neue“ ins Zentrum, das als Raum unbegrenzter Möglichkeiten zu erkunden war. Emerson wurde damit zu einem Vordenker des „American Dream“. Kritiker hingegen sahen in den Transzendentalisten eine esoterische Sekte.
Emerson brachte seine Ideen in zahlreichen Büchern und Aufsätzen zu Papier. Er soll über 1.500 Reden und Vorlesungen gehalten haben. Seine Arbeit inspirierte die Werke von Autoren wie Henry David Thoreau, Walt Whitman, Margaret Fuller oder Herman Melville. Emerson hatte dadurch einen großen auf die Entfaltung einer amerikanischen Nationalliteratur.
Etwas mehr über das Werk und das Leben von Ralph Waldo Emerson erfahren Sie in diesem kurzweiligen Video:
Ralph Waldo Emerson war also ein Thought Leader par excellence – er hatte enormen Einfluss auf wesentliche gesellschaftliche Entwicklungen. Für den unternehmerischen Erfolg sind solche Visionäre nicht mit Gold aufzuwiegen. Was wäre etwa Tesla ohne Elon Musk? GEA ohne Heini Staudinger? Zotter Schokolade ohne Josef Zotter?
In sieben Schritten zur Thought Leadership
In ihrem Buch „Ready to Be a Thought Leader?“ skizziert Denise Brosseau sieben Etappen für den Weg zum unternehmerischen Visionär. Die Bezeichnungen für die einzelnen Stationen habe aus Gründen der Vergleichbarkeit mit dem Original beibehalten.
1. Find Your Driving Passion
Definieren Sie Ihre Nische, in der Sie das größte Potential zum Thought Leader haben. Brosseau schlägt vor, dazu die Schnittmenge zwischen Ihren Erfahrungen, Ihren Referenzen und Ihrem Engagement zu bilden.
2. Build Your Ripples of Influence
Diskutieren Sie Ihre Ideen mit kundigen Personen, wie etwa Mentoren, Kollegen oder Freunden. Achten Sie auf deren Feedback und bauen Sie Verbesserungsvorschläge – sofern begründet – in Ihre Ideen ein.
3. Activate Your Advocates
Nun benötigen Sie weitere Personen außerhalb Ihres Bekanntenkreises, die Ihre Idee möglichst begeistert mittragen und kommunizieren. Hilfreich sind hier Partner mit guten Kontakten, wie z. B. Branchenvertreter, Journalisten oder Forschungseinrichtungen.
4. Put Your „I“ on the Line
Wer eine nachhaltige Bewegung formieren will, muss selbst ins Rampenlicht treten. Werfen Sie Ihre Ängste über Bord und vertreten Sie Ihre Vision der Zukunft. Authentisch, überzeugend und verständlich.
5. Codify Your Lessons Learned
Thought Leaders überzeugen mit der Fähigkeit, ihre Gedanken in ein verständliches und nachvollziehbares Modell zu gießen. Es geht um die Darstellung des Ablaufs (z. B. in Form eines Service Blueprints), eine überzeugende Präsentation sowie einen gelungenen Namen für Ihr Modell.
6. Put Yourself on S.H.O.U.T.
S.H.O.U.T. steht für „Select your audience and venue“, „Hone your message“, „Overcome resistance“, „Understand potential pitfalls“ und „Transform individuals into an community“. U. a. spielen hier Wissen um Zielgruppen, Storytelling und Medienarbeit eine entscheidende Rolle.
7. Incite (R)Evolution
Haben Ihre Ideen bereits am Markt zu greifen begonnen? Überwachen Sie die Fortschritte konsequent und möglichst in Echtzeit, z. B. durch Google Alerts oder Medienbeobachtung. Vergrößern Sie Ihren Wirkungsgrad, in dem Sie einen klaren Strategieplan für den Aufbau einer eigenen Community verfolgen.
Wie Sie unschwer erkennen können, lassen sich diese sieben Schritte auch im Wirken von Ralph Waldo Emerson nachvollziehen. Im 19. Jahrhundert gab es freilich völlig andere kommunikative Voraussetzungen als heute – aber in seinen Grundzügen entspricht Emerson tatsächlich einer Blaupause für einen Thought Leader.
Alle Beiträge zur Blog-Serie
Titelbild: Statue von Ralph Waldo Emerson (Bildrechte: Cincinnati Art Museum. Dieses Bild ist unter der digitalen ID cph.3c32129 in der Abteilung für Drucke und Fotografien der US-amerikanischen Library of Congress abrufbar. Gemeinfrei, Link)